Vielen ist bestimmt noch ein Hit der Neuen Deutschen Welle im Ohr: „Ich geb“ Gas, ich will Spaß“. Dieses Motto gilt auch in den Chefetagen der Versorger. Gas an Kunden abzugeben, bringt derzeit viel Spaß, weil sich die Preisspirale scheinbar unaufhaltsam nach oben dreht. Schon regt sich auf Politikerseite unvermeidbarer Aktionismus. Staatliche Regulierung tue sofort Not, eine Preisaufsicht sei kein Tabu, heißt es zum Beispiel von CSU-Generalsekretär Markus Söder. Die hohen Energiepreise seien derzeit Konjunkturbremse Nummer eins, warnt Rainer Brüderle, stellvertretender Fraktionschef der FDP im Bundestag.

Kurzum: Die Lordsiegelbewahrer der Freien Marktwirtschaft rufen nach dem Staat! Nach Reglementierung, Bürokratie, Genehmigungsverfahren für Preiserhöhungen, die heutzutage eigentlich nur harmlos Preisanpassungen heißen. Dabei machen E.ON, RWE, EnBW, Vattenfall und Konsorten nur das, was alle Wirtschaftsbetriebe gerne tun: Im Rahmen dessen, was der Markt hergibt, die Gewinne zu steigern. Und das ohne Massenentlassungen oder Verlagerungen ins Ausland.

Geradezu putzig erscheint der Appell von SPD-General Franz Müntefering, der die Versorger ermahnte, im Vorfeld der Arbeitsaufnahme der erweiterten Regulierungsbehörde nicht „zuzuschlagen, um die Bilanzen zu verbessern“. Das ist ungefähr so, als ob man einen hungrigen Bären vor dem vollen Honigtopf bittet, doch Diät zu halten.

Natürlich sind hohe Energiekosten konjunkturhemmend: Die Kostenstruktur der Wirtschaftsbetriebe verschlechtert sich, und auch für die private Binnennachfrage ist es das reine Gift, weil der für den Konsum freie Teil des Einkommens sinkt. Aber wenn sich Politiker jetzt hinstellen und Unternehmen geißeln, bloß weil sie im Rahmen des bestehenden Systems ihre Gewinne maximieren, ist das nicht sonderlich redlich. Das System ist schließlich von Politikerhand geschaffen.

Wer Situationen wie die vorliegende vermeiden möchte, muß rechtzeitig andere Rahmenbedingungen schaffen. Trennung von Erzeugern und Netzbetreibern, Untersagung von Zukäufen, die solche Quasimonopole schaffen und, und, und. Heute gibt es nur die Quittung für die Versäumnisse und Unterlassungen der Vergangenheit. Die Lobbyisten der Versorger, an denen die öffentliche Hand zum Teil große Anteile hält, haben ganze Arbeit geleistet.

Und was sagt das Ganze dem kleinen Endverbraucher? Er kann ganz klassisch hedgen, indem er sich Aktien seines Versorgers ins Depot legt. Steigen die Preise weiter, partizipiert er immerhin an den Gewinnen. Dann kann er einen Teil seiner Stromrechnung mit der Dividende begleichen. Oder sie sich in Kilowattstunden auszahlen lassen.

Stefan Preuß

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