Doch was ist mit den leisen Knistern der vielen Publikumsgesellschaften, die sich dank gesetzlicher Pflicht zum neuen Codex erklären müssen?
Zu den Errungenschaften des Corporate Governance-Codex gehört seit kurzem eine „Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG“, mit der börsennotierte Unternehmen Rechenschaft ablegen sollen, wie sie dessen Regeln im eigenen Hause umgesetzt haben – oder falls nicht, warum sie es nicht getan haben. Was bei großen Publikumsgesellschaften sehr wohl Sinn macht, kann bei kleinen Nebenwerten leicht zur Farce werden.
Zugegeben, die Meldung des Bundesanzeigers vom 21. Dezember 2002 ist nicht mehr ganz frisch, doch verdient sie es, nun doch einmal auf das Podest erhoben zu werden. Die Brauerei Moninger, Karlsruhe, ist als Aktie nur Eingeweihten bekannt und hat mit einer Börsenkapitalisierung von 1,6 Mio. Euro am Kapitalmarkt nur wenig Gewicht. Fundamental betrachtet ist die einstige badische Traditionsbrauerei eine Pensionskasse mit angeschlossener Brauerei und Tochtergesellschaft der Stuttgarter Hofbräu, die das operative Geschäft wohl nur so lange nicht übernehmen wird, bis die überwiegende Zahl der Moninger-Pensionäre ihre Ansprüche haben abfinden lassen oder dieselben biologisch erledigt wurden.
Nun muß sich auch Moninger zur Einhaltung des Codex erklären, immerhin ist man im Amtlichen Markt gelistet. Doch was soll der Vorstand einer Firma schreiben, der mehr mit dem täglichen Kampf um die pünktliche Begleichung der Betriebsrenten aus dem Cash Flow eines schrumpfenden Brauereigeschäft zu tun hat als mit Gedanken über das vertrauensvolle Zusammenspiel von Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären? Die Eigentümerschaft des Unternehmens verändert sich etwa so stark wie die eines Familienunternehmens, und was andere unter „Investor Relations“ verstehen, erledigt die Vorstandssekretärin mit dem linken kleinen Finger mal eben nebenher mit.
Zitat: „Aufsichtsrat und Vorstand der Brauerei Moninger AG sind der Überzeugung, daß Leitung und Überwachung ihres Unternehmens – wie vom Aktiengesetz vorgeschrieben – einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung entsprechen. Deshalb erklären Aufsichtsrat und Vorstand der Brauerei Moninger AG gemäß § 161 AktG, daß die Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Codex nicht angewendet werden.“ Zitat Ende.
Unserer Ansicht nach machen wir alles richtig und brauchen deshalb keinem zu erzählen, was wir eigentlich tun und wie wir es tun. So einfach ist das. Wieder einmal werden die hehren Ziele der Aktienkultur von deren Umsetzung in der Praxis karikiert.
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Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.