Exakt fünf Jahre nach der aufsehenerregenden Rettung des LTCM-Hedgefonds durch die US-Notenbank und ihre Affiliates können wir den in der Einleitung gebrachten Spruch nur unterstreichen. Argentinien darf man nicht pleite gehen lassen – daher auch eine Rettung zweiter oder dritter Klasse, mal wieder.
Die Haltung von Argentiniens Wirtschaftsminister Roberto Lavagna war eindeutig: Entweder ihr akzeptiert unser Umschuldungsangebot oder aber ihr geht ganz leer aus. Da fiel die Wahl für den IWF nicht schwer, auch wenn die „Umschuldung“ der ersten knapp 3 Mrd. US-$, die nun bezahlt wurden, praktisch einem Zahlungsausfall einleitet. Und zwar den größten in der Geschichte des Währungsfonds.
Der IWF hat diese Kröte geschluckt, weil es um weit mehr geht. Insgesamt stehen nun noch 21 Mrd. US-$ zur Umschuldung über einen Zeitraum von drei Jahren an. Mit anderen Worten: Das Problem hat sich auf der Zeitlinie nur nach hinten verschoben. "Está claro que es muy difícil y muy complejo“ – frei übersetzt: Wir haben einen Kuhhandel geschlossen.
Bei den Privatanlegern wird es lange Gesichter geben, so viel steht fest. Auf die Zinszahlungen der letzten Jahre werden sie ohnehin verzichten müssen und zusätzlich niedriges Kupons akzeptieren, je nach Laufzeit der Staatsanleihen. In der Summe wird sich ein Verlust von mindestens 2/3, wahrscheinlich aber bis zu 3/4 für die Bondhalter ergeben. Immer noch besser als ganz leer auszugehen, aber eben nicht viel. Allerdings ist auch hier eine spätere Zahlungsklemme nicht ausgeschlossen. Genau wie übrigens bei Brasilien. Die durch den IWF „geretteten“ Länder hängen am Tropf. Ändern sich wichtige Parameter in den Rahmenbedingungen, wird es unmöglich sein, beispielsweise 3 % des Haushaltsüberschusses für die Bedienung von Schulden abzuzweigen.
Es ist erstaunlich, daß Argentinien das erste Land ist, daß sich in derartiger Manier gegen den IWF durchgesetzt hat. Der Argentinien-Fall ist praktisch der erste, wo das IWF-System per se in Frage gestellt wird. Hinter der aufmüpfigen Haltung steht sicherlich auch die Einsicht, daß in der derzeitigen fragilen Verfassung der Weltwirtschaft ein kompletter Zahlungsausfall für den IWF inakzeptabel wäre. Das hat Argentiniens Regierung erkannt, gepokert und gewonnen. Spätestens bei der nächsten Tranche, bei der es dann um mehr als nur 3 Mrd. US-$ geht, wird Präsident Kirchner, beflügelt durch diesen Punktsieg, nochmals nachlegen. Der IWF ist erpreßbar, und jetzt mehr denn je.
Die Moral von der Geschichte wäre, daß die Machthaber anfangen gründlich darüber nachzudenken, ob die von den Gläubigern (Weltbank, IWF, IADB etc.) auferlegten Zwangskorsetts zur Schuldenbegleichung überhaupt eine Zukunft, ja Berechtigung haben. Wie bei der gesamten Schuldenpolitik der letzten Jahrzehnte wird wie üblich nicht am System etwas verändert, sondern immer nur am Zeitstrahl. Wir dürfen also davon ausgehen, daß wir in nicht allzu ferner Zukunft vor denselben Problemen stehen, sei es bei Argentinien, einem anderen lateinamerikanischen Land oder auch einem Land, daß derzeit noch gar nicht im Focus des Tages-Interesses steht.
Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.