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Wer den deutschen Immobilienmarkt genau unter die Lupe nimmt, wird unweigerlich auf Luxemburg stoßen. Sei es ein ­luxemburgisches Immobilienunternehmen an der Frankfurter Börse, ein auf Immobilienanlagen spezialisierter Investmentfonds, ein Joint-Venture-Vehikel für grenzüberschreitende Co-Investments oder eine einfache Grundstücksgesellschaft: Kaum ein Immobilienunternehmen in Deutschland kommt ohne die vielfältigen luxemburgischen Gestaltungsmöglichkeiten aus. Doch wer dahinter ­lediglich Steueroptimierung vermutet, unterschätzt das kleine Großherzogtum jenseits der Mosel. Vertrauen in marktgetriebene ­Lösungen gepaart mit Pragmatismus und einer für die Europäischen Union einzigartigen ­multikulturellen Kompetenz im Finanzbereich sind das Erfolgsrezept des zweitgrößten Standorts für Investmentfonds ­weltweit.

Mit einem umfassenden Angebot an maßgeschneiderten Investmentprodukten hat sich Luxemburg als internationales Finanzzentrum im Herzen Europas etabliert. Politische Stabilität, schnörkellose Rechtssetzung und mehrsprachige Expertise machen den Staat bei Investoren und Unternehmen aus der ganzen Welt beliebt. Die Politik der Post-Junker-Ära fördert und fordert die lokale Finanzbranche mit einer zukunftsfähigen Ausrichtung auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und europäische Harmonisierung.

Gestaltungsfreiheiten im ­Gesellschaftsrecht

Mit einem Blick für die Bedürfnisse des Markts setzt Luxemburg auf die für den Kapitalmarkt so wichtigen Standards der EU zum Anlegerschutz, ohne die euro­päischen Vorgaben mit nationalen Extras zu überfrachten. Gestaltungsfreiheiten im Gesellschaftsrecht werden bewusst gewährt und nicht – wie in so vielen anderen Mitgliedstaaten – eingeschränkt, denn die Vertragsfreiheit ist nach wie vor ein ­wesentliches Merkmal der luxemburgischen Gesetzgebung. Einige Beispiele:

  • Die luxemburgische Aktiengesellschaft (SA) gibt es sowohl in einer zweigliedrigen (deutschen) Form mit Vorstand und Aufsichtsrat als auch in der internationalen eingliedrigen Form mit einem Board of Directors. Hierdurch können viele Gesellschaften ihr Hauptquartier in Luxemburg ganz nach den Bedürfnissen ihrer Aktionäre ausrichten.
  • Unternehmen können das vorrangige Aktienbezugsrecht ihrer Aktionäre ausschließen und die Höhe ihres ­genehmigten Kapitals weitgehend frei bestimmen, was insbesondere für börsennotierte und schnell wachsende ­Gesellschaften von herausragender Wichtigkeit ist.
  • Nicht nur die Aktiengesellschaft, ­sondern auch eine luxemburgische S.à.r.l. kann Schuldverschreibungen in der Form eines privaten oder öffentlichen Angebots begeben. Dies bedeutet ein Mehr an Flexibilität, um den Finanzierungsbedarf in Private Equity (PE), Real Estate (RE) oder Projektfinanzierungen zu struk­turieren.
  • Ferner müssen Aktiengesellschaften bei der Ausgabe von Wandelanleihen einen Wirtschaftsprüferbericht nur dann einholen, wenn der Investor den Zeichnungspreis für Wandelschuldverschreibungen nicht in bar, sondern durch Sacheinlage erbringt. Es ist ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass die Wandlung einer Wandelanleihe als eine Bareinlage anzusehen ist; Investoren und Emittenten können deshalb von ­einer hohen Rechtssicherheit und ­Kostenersparnis bei Wandelanleihen betreffenden Kapitalmarkttransaktionen profitieren.

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Kurz gesagt: Pragmatische Lösungen für die Bedürfnisse des Kapitalmarkts sind in Luxemburg immer verfügbar.

Brücke zum übrigen Europa und der Welt

Als Anbieter der gefragtesten Assetklasse der Welt hat sich der deutsche Immo­bilienmarkt längst internationalisiert und findet in Luxemburg eine Brücke zum übrigen Europa und der Welt. Selbst wenn Steuervorteile andernorts attraktiver sind, setzt der Immobiliensektor weiterhin auf die breit gefächerte Expertise des Nachbarstaats. Die börsennotierte SA ­profitiert von einer anpassungsfähigen Governancestruktur und einer deutlich flexibleren Kapitalbeschaffung, ohne auf die Aufnahme in deutsche Indizes verzichten zu müssen. Der Münchner Assetmanager findet in Luxemburg deutschsprachige Experten für die schariakonformen ­Finanzierungen seiner Kunden im Nahen Osten. Der Projektentwickler aus Berlin und der Immobilienfonds aus New ­Jersey kooperieren erfolgreich mit einer Joint-Venture-­Vereinbarung nach luxemburgischem Recht. Selbst eher ­regional ausgerichtete Sparkassen kommen mangels ­Sprach­barriere mit luxemburgischen Immo­bilienstrukturen gut zurecht.

Dass gerade Immobilienunternehmen, die wie kein anderer Geschäftszweig lokal agieren, die luxemburgischen Strukturierungsmöglichkeiten denen ihres Heimatlandes vorziehen, sollte Grund für Selbstreflexion sein: Es offenbart ein in die Jahre gekommenes deutsches Handels- und ­Gesellschaftsrecht, das in der Wahrnehmung vieler lieber „verbietet“ als „ermöglicht“ und mit den Anforderungen ­eines modernen und globalen Wirtschafts­systems kaum Schritt halten kann. Während Luxemburg sein Gesellschaftsrecht erst 2016 mit einem informierten Blick nach Frankreich, Belgien und in die Marktpraxis grundlegend reformiert und ein Mehr an Strukturierungsflexibilität für PE- und RE-Transaktionen geschaffen hat, vermissen ins­besondere ausländische ­Investoren im deutschen Angebot Schnellig­keit, Gestaltungsfreiraum und einen lösungs­orien­tierten Ansatz des Gesetz­gebers.

Solider Partner

Luxemburgs klares Bekenntnis zur ­Europäischen Union macht das Land gerade nach dem Brexit zu einem verläss­lichen Partner des Kapitalmarkts. Der gelebte Multikultu­ralismus eines Landes, dessen Bevölkerung zur Hälfte aus Ausländern besteht, begründet die für Luxemburg ­typische Offenheit für marktgetriebene ­Innovationen. Grüne Anleihen z.B., ein aus der Initiative von Banken geborenes ­Instrument zur Finanzierung und ­Förderung nachhaltiger Projekte, finden über Luxemburg nach Europa und ­ machen das Land heute zu einem der ­führenden Standorte für nachhaltige ­Anlageprodukte.

Während auch in Luxemburg die ­Mieten und Immobilienpreise in nie ­dagewesene Höhen steigen, sucht man dort ­vergeblich nach einem Mietendeckel. Das Geheim­rezept zur Lösung dieses brisanten sozialen Problems, das in Zeiten scheinbar unendlicher Niedrigzinspolitik wie ein Damoklesschwert über dem Boom der Immobilienwirtschaft schwebt, mag das Großherzogtum nicht in petto haben. Der deutsche Immobiliensektor kann sich aber darauf verlassen, dass der Finanzplatz Luxemburg weiterhin als solider Partner an ­seiner Seite steht.

Autor/Autorin

Anna Lindner

Anna Lindner ist als Senior Associate im luxemburgischen Büro von GSK Stockmann tätig. Sie berät schwerpunktmäßig in den Bereichen Kapitalmarktrecht (börsennotierte Unternehmen, Nachhaltigkeit), Bank- und Finanzrecht sowie in Unternehmens- und Immobilientransaktionen.
Sie ist in Deutschland (2015) und Luxemburg (2017) als Rechtsanwältin zugelassen und verfügt über Abschlüsse der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Humboldt-Universität zu Berlin.

Dr. Philipp Mössner

Dr. Philipp Mössner ist als Partner im luxemburgischen Büro der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann tätig. Er berät schwerpunktmäßig in den Bereichen Kapitalmarktrecht (börsennotierte Unternehmen), Bank- und Finanzrecht sowie in Unternehmens- und Immobilientransaktionen. Er ist in Deutschland (2006) und Luxemburg (2007) als Rechtsanwalt zugelassen und hat einen LL.M. der McGill University (Montreal) sowie einen Doktortitel der Universität Tübingen (summa cum laude). Dr. Mössner ist Mitglied der International Bar Association (IBA), der American Bar Association (ABA) und der Canadian Bar Association (CBA).