Aus der 1945 von Helmut Vetter gegründeten Apotheke in Ravensburg hat sich ein Pharmazie-Unternehmen entwickelt, das 2011 mit 2.700 Mitarbeitern einen Umsatz von deutlich mehr als 300 Mio. EUR erzielt hat.

Weltmarktführer bei der aseptischen Produktion von Fertigspritzen
Vetter ist ein unabhängiger internationaler Spezialist in der Herstellung aseptisch vorgefüllter Spritzensysteme, Karpulen und Vials. Karpulen sind Zylinderampullen, wie sie vor allem von Zahnärzten eingesetzt werden. Als Vials werden die Ampullen bezeichnet, aus denen Spritzen aufgezogen werden. Vorgefüllte Systeme haben eine ganze Reihe von Vorteilen im klinischen Alltag, weswegen sie sich zunehmend durchsetzen. Es handelt sich also um einen klassischen Wachstumsmarkt.

Wie sich das für ein schwäbisches Tüftlerunternehmen gehört, hält Vetter Pharma nicht nur mehr als 100 Patente, sondern setzt das Know-how in neue Produkte um. Für Wirkstoffe, bei denen mit Lyophilisation (Gefriertrocknung) gearbeitet wird, hat Vetter zum Beispiel ein Doppelkammersystem am Markt eingeführt. Dabei befindet sich der gefriergetrocknete Wirkstoff separat in einer Kammer. In der zweiten Kammer liegt das passende Lösungsmittel vor. Die Vermischung erfolgt erst, wenn das Medikament verabreicht werden soll. „Im Rahmen eines Lifecycle Managements können Wirkstoffe, die aktuell in Vials abgefüllt werden, in Doppelkammersysteme überführt werden. Dadurch wird die Verabreichung nutzerfreundlicher und das Produkt kann sich am Markt differenzieren“, wirbt das Unternehmen.

Partner der größten Hersteller
Vetter entwickelt dabei die Wirkstoffe nicht selbst, sondern arbeitet als Dienstleister bereits in der Entwicklung zu den Fragen mit, wenn es darum geht, sterile Abfüllung, Verpackung, Haltbarkeitsverlängerung etc. zu klären. Im weiteren Verlauf übernehmen die Ravensburger den vollständigen Produktionsprozess vom Ansatz der Wirkstofflösung über die aseptische Abfüllung bis hin zur Konfektionierung. Das ansonsten sehr zurückhaltend formulierende Unternehmen erlaubt sich anhand der Tatsache, dass 19 der 20 weltweit größten Pharma- und Biotechunternehmen diesen Service nutzen, den Titel „Weltmarktführer“ zu tragen.

Klassische Gründungs- und Wachstumsstory
Das Unternehmen wurde 1945 in Ravensburg von Helmut Vetter als Apotheke gegründet. Der damals 26-Jährige hatte während des Weltkriegs seine Ausbildung zum Apotheker beenden können. Sein Interesse an pflanzlichen Wirkstoffen veranlasste Vetter, bald ein Magenmittel auf den Markt zu bringen, das reißenden Absatz fand. Eine runde Dose mit durchsichtigem Deckel und umfängliche Werbung sorgten für rasantes Wachstum des in Form von Oblatenkapseln vertriebenen Mittels. Mit steigendem Erfolg und längeren Vertriebswegen zeigte sich aber, dass die genutzten Stärkekapseln in der Dose oder auch einer Weißblechrolle zu anfällig gegen Erschütterung und Nässe waren. Es musste also eine neue Verpackung erfunden werden.

Dies gelang Vetter zusammen mit einem Maschinenbauer aus dem Schwäbischen. Die Kapseln wurden eingeschweißt – eine Sensation Anfang der 60er Jahre. Da natürlich alle Hersteller von Medikamenten vor den gleichen Problemen standen, kam Vetter so mit vielen Pharmafirmen in Kontakt. Der Rest ist die Wachstumsstory eines Familienunternehmens in geradezu klassischer Ausprägung. Heute hat sich Vetter auf die Gefriertrocknung von Wirkstoffen sowie die aseptische Herstellung vorgefertigter Spritzensysteme spezialisiert. Vetter ist höchst-zertifiziert, unter anderem von der US-Behörde FDA, und mit den üblichen Auszeichnungen der Branchenverbände und Unternehmensberatungen dekoriert.

Omertà – in der schwäbischen Variante
Das Unternehmen befindet sich auch heute noch zu 100% in Familienbesitz, wobei die Familie Vetter in drei Linien aufgeteilt ist. In einer 2008 veröffentlichten Chronik wird auf die besondere Kontinuität und die Unabhängigkeit des Unternehmens verwiesen. So hat Gründer Helmut Vetter testamentarische Verfügungen erlassen, die noch heute von zwei Testamentsverwaltern überwacht werden. Auf Anfrage verweigerte das Unternehmen jegliche Auskünfte zu Finanzierung, noch nicht einmal Umsatzzahlen wurden kommuniziert. Im Archiv findet sich aber eine Meldung, die von einem Umsatz von 280 Mio. EUR im Jahr 2009 berichtet. Damals waren 2.400 Mitarbeiter beschäftigt. Bei nunmehr 2.700 Mitarbeitern dürfte der Umsatz 2011 deutlich über 300 Mio. EUR liegen. Offensichtlich ist, dass Vetter Pharma nichts ferner liegt, als sich dem Kapitalmarkt zu öffnen. Vetter Pharma hat auch so in den vergangenen Jahren erhebliche Investitionen in neue Produktionsanlagen in Ravensburg-Süd sowie Langenargen gestemmt.

Fazit
Bei Vetter ist es klar kommuniziertes Ziel, als Familienunternehmen zu wachsen. Die Marktstellung als Dienstleister für die Giganten des Pharma- und Biotechmarktes konnte offenbar auch gerade wegen dieser Konzernunabhängigkeit erreicht werden. Von daher deutet nichts auf eine Öffnung zum Kapitalmarkt hin.

Stefan Preuß

Ursprünglich erschienen im GoingPublic Magazin 04/2012.

 

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