Müll = Wertstoff = Gewinnbringer
Die Geschichte des Firmengründers Norbert Rethmann beinhaltet alle klassischen Zutaten einer Selfmade-Karriere. Überliefert ist, dass er Anfang der 60er-Jahre als Student in den Semesterferien auf einem LKW seines Vaters jobbte. Rethmann senior hatte Aufträge, Müll und Asche aus einigen Bezirken in Selm abzufahren. Während einer seiner seltenen öffentlichen Auftritte erinnerte sich Rethmann bei einer Versammlung in Goslar, dass ihm damals bereits der Gedanke kam, dass das bloße Abkippen von Müll keinen Sinn macht: „Ich begann Fragen zu stellen, heute nennt man das Marketing.“

Das Entsorgungsgeschäft wuchs durch den Gewinn weiterer Ausschreibungen – 1959 war die Firma Rethmann für ganz Selm zuständig. Der Ort im südlichen Münsterland ist nicht das Ende der Welt – aber wahrscheinlich kann man es von dort sehen. Der richtige Ort also, um in aller Ruhe ein Imperium aufzubauen. 1977 erfolgte mit Übernahme der Gebrüder Schaap KG die erstmalige Erweiterung des Spektrums um Leistungen der heutigen SARIA Bio-Industries AG. 1998 wurde mit dem Erwerb der Rhenus AG & Co. von der Stinnes-Gruppe der Logistikbereich der Gruppe weiter gestärkt. Seitdem sind unter dem Dach der Familienholding mit Remondis (Jahresumsatz 2010 5,4 Mrd. EUR), Saria (0,8 Mrd. EUR) und Rhenus (3,1 Mrd. EUR) drei Spartengesellschaften vereint.

Einträgliche Dreifaltigkeit
Remondis zählt zu den international führenden Unternehmen in der Wasser- und Kreislaufwirtschaft. Neben der Wasserversorgung und Wasseraufbereitung gewinnt Remondis Rohstoffe aus Abfällen und entwickelt innovative Recyclingprodukte. Rhenus hat sich als Logistik-Dienstleister europaweit etabliert, wobei für Kunden ganze Logistikketten angeboten werden. Der Schwerpunkt liegt auf Schiffstransporten sowie Hafenlogistik. Daneben bietet Rhenus individuelle Logistik-Softwarelösungen an. Die Unternehmen der Saria-Gruppe stellen Lebensmittelzusätze her, Grundstoffe für die Heim- und Nutztiernahrung, Düngemittel sowie Basisstoffe für Kosmetikartikel und Reinigungsmittel.

Ökologie rechnet sich – bestens
Wenn man so will, ist die Rethmann-Gruppe eines der umsatzstärksten Greentech-Unternehmen der Republik, denn das Unternehmen setzte Recycling und Kreislauf-Denken schon gewinnbringend ein, als die Grünen als Vordenker in diese Richtung vom politischen Establishment noch belächelt wurden.

Ganz nebenbei bewies Norbert Rethmann, dass Ökologie gerade dann am besten funktioniert, wenn sie ökonomisch gewinnbringend umgesetzt werden kann. Man fühle sich dazu verpflichtet, „zur Steigerung des Gemeinwohls und zur Erhaltung der Umwelt sowie unserer natürlichen Lebensgrundlagen beizutragen. Ökonomie und Ökologie betrachten wir nicht als Gegensätze – ihre bestmögliche Verbindung ist zentrales Element unseres unternehmerischen Handelns“, heißt es dazu auf der Homepage.

Eine der reichsten Familien der Republik
Die Unternehmen der Rethmann-Gruppe schließen Stoffkreisläufe, betreiben nachhaltiges Wassermanagement, nutzen Biomasse und verwerten Stoffe wie Tierkadaver, die man eigentlich für wenig werthaltig hält, ganz offenbar sehr einträglich zum Beispiel zur Futtermittelherstellung oder Plasma- oder Eiweißgewinnung. Das Unternehmen veröffentlicht zwar keine Ertragszahlen und mochte zu Fragen der Wachstumsfinanzierung auch keinerlei Angaben machen (Man möge Verständnis dafür haben, „dass wir als Familienunternehmen kein Interesse an jeglicher Berichterstattung in Bezug auf Finanzaspekte haben“, ließ der Pressesprecher wissen.), doch das Business muss hochprofitabel sein: Die Financial Times schätzte 2009 das Familienvermögen unwidersprochen auf 3,6 Mrd. EUR.

Weiter- und Wiederverwertung
Die Rethmann-Gruppe arbeitet entlang der gesamten Wertschöpfungskette, das heißt, der Restmüll landet in Heizkraftwerken, mit denen Remondis oder Saria wiederum als Energieerzeuger Geld verdienen. Viele biologische Abfälle werden in Biogasanlagen verstromt. Aktuell hat Saria bei einem österreichischen Spezialbetrieb eine neue Biogasanlage bestellt, die bei Saria in Marl gebaut wird. Sie soll Ende des Jahres in Betrieb gehen und wird jährlich aus rund 87.000 Tonnen unterschiedlichsten Abfalls – von Biomüll über Klärschlamm bis hin zu Schlamm aus Fettabscheidern – insgesamt 6,3 Mio. Nm³ Biogas produzieren.

Fazit
Wenn Kommissar Thiel und Professor Boerne im Tatort aus Münster ermitteln, erfährt man viel über das dortige Establishment. Ob man sich so die Familie Rethmann vorstellen muss, darf offen bleiben – die Omertà in der Öffentlichkeitsarbeit des Multi-Milliarden-Unternehmens muss aber in jedem Fall als Anachronismus gelten. Das Unternehmen selbst – soweit man das aus der Ferne beurteilen kann – ist bestens in absoluten Zukunftsmärkten aufgestellt. Die Themen Recycling, alternative Energien und Wasserversorgung würden Börsianer entzücken. Doch nichts scheint der Familie ferner zu liegen, als „public“ zu gehen.

Stefan Preuß

Kurzprofil Rethmann AG & Co. KG
Gründungsjahr: 1934
Branche: Entsorgung, Recycling, Futtermittel, Logistik
Unternehmenssitz: Selm/NRW
Mitarbeiter 2010: 41.000
Konzernumsatz 2010: 9,3 Mrd. EUR
Gewinn: k.A.

Ursprünglich erschienen im GoingPublic Magazin 08-09/2011.

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