Dr. Florian Meise, Gesellschafter und Vorstand, ADCURAM Group AG

Wertsteigerung durch Neuausrichtung von Unternehmen erfordert eine klar durchdachte Strategie. Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten, muss ein Investor Analysekompetenz, fachliche Expertise und die Bereitschaft zur Detailarbeit mitbringen. Ein operatives Team aus erfahrenen Spezialisten hat in sämtlichen Phasen des Wertsteigerungsprozesses eine essenzielle Bedeutung. Aus zwei Gründen: Erstens ist die Situation von Unternehmen mit operativem Verbesserungspotenzial wesentlich schwieriger einzuschätzen als jene von Betrieben mit hoher Ertragskraft. Zweitens müssen Entscheidungen meist sehr schnell getroffen werden.

Vor dem Erwerb

Bei Unternehmen mit operativem Verbesserungspotenzial wird zwischen vier Kategorien unterschieden: „Heavily distressed“, „distressed“, „significantly underperforming“ und „complex carve outs“.

In der ersten Sondierungsphase ist ein operatives Team mit der Ursachenforschung nach den Gründen für die Underperformance beschäftigt. Idealerweise decken die Spezialisten folgende Bereiche ab: Vertrieb und Marketing, Produktion und Technologie, Einkauf und Logistik, Finanzen und Controlling sowie IT und Geschäftsprozesse. Nur durch die sorgfältige Prüfung der einzelnen Bereiche erhält der Investor ein aussagekräftiges Gesamtbild des Zielunternehmens. Am Ende der Due Diligence muss das operative Team in der Lage sein, drei zentrale Fragen zu beantworten.

  1. Wo genau liegen die Probleme?
  2. Verfügen wir über einen detaillierten Maßnahmenplan, mit dem die Probleme gelöst werden können?
  3. Sind wir sicher, diese Maßnahmen auch umsetzen zu können?

Die Aufzählung zeigt: Weit vor dem Erwerb müssen die Weiterentwicklungspotenziale erkannt und sehr konkrete, detaillierte Verbesserungsmaßnahmen definiert sein. Letztendlich müssen die Fachleute schon vor dem Erwerb (und oft auf Basis unvollständiger Informationen) eine umfassende Blaupause für die operative Weiterentwicklung des Unternehmens erstellen.

Herausforderungen vor dem Closing

Zudem sind vor dem Closing weitere Herausforderungen zu meistern. Die Verhandlung über den Kaufpreis gehört dazu. Dieser ist ein bedeutsamer Bestandteil des Transaktionsprozesses – doch längst nicht der einzige. Häufig wünscht der Verkäufer darüber hinaus Standort- und Arbeitsplatzgarantien, fordert stabile Arbeitskonditionen für die Mitarbeiter oder verlangt die Übernahme von Lieferverträgen. Es ist also unabdingbar, ein tiefes Verständnis sowohl für das Unternehmen als auch für die offenen und versteckten Interessen des Verkäufers zu entwickeln und dadurch etwaige Win-Win-Potenziale für beide Seiten zu entdecken. Hierbei hilft wiederum operative Expertise.

Auch beim Thema Außendarstellung ist das operative Know-how von eminenter Bedeutung. Verkäufer, insbesondere Konzerne, achten stets darauf, dass eine Transaktion möglichst reibungs- und geräuschlos über die Bühne geht. Konzernlenker legen sehr viel Wert auf die nachhaltige, erfolgreiche Fortführung der verkauften Einheit – zum einen, weil ihnen das Wohl der Mitarbeiter am Herzen liegt, zum anderen aber auch, weil eine positive öffentliche Darstellung der Transaktion wichtig für die Reputation des Verkäufers ist.

Konzept zur nachhaltigen Weiterentwicklung

Wie verschiedene Beispiele der letzten Jahre gezeigt haben, kann ein Verkauf an den falschen Investor wesentliche negative Imageeffekte für den Verkäufer nach sich ziehen. Unternehmerische Expertise und ein großes operatives Team auf Seiten des Investors geben dem Verkäufer die notwendige Gewissheit, dass das verkaufte Unternehmen vom neuen Eigentümer erfolgreich weitergeführt wird. Ein wesentliches Element von Unternehmenskäufen sollte daher immer sein, dem Verkäufer ein detailliertes Konzept zur nachhaltigen Weiterentwicklung des Unternehmens zu präsentieren.

Auch der Schulterschluss mit den Leistungsträgern der Unternehmen – eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Weiterentwicklung – gelingt leichter, wenn die Mitarbeiter von der Fachkompetenz der Investorenseite überzeugt sind. Dabei ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die Schlüsselpersonen im Zuge des Transaktionsprozesses an Bord bleiben. Ein gutes Argument für den Verbleib ist, wenn die oftmals vernachlässigte und deshalb ausgegliederte Konzernsparte für den Investor zu 100% Kerngeschäft ist. Dies bedeutet für das Unternehmen, dass es Managementressourcen, Kapital und Aufmerksamkeit erhält, die es vom Alteigentümer nicht bekommen hat.

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