Ulrich Plumbohm, Chairman, Plumbohm Corporate Finance Consulting (Shanghai) Co. Ltd.
Ulrich Plumbohm, Chairman, Plumbohm Corporate Finance Consulting (Shanghai) Co. Ltd.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und China ist historisch weitestgehend unbelastet. Die politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern sind eng und vertrauensvoll, die wirtschaftliche Zusammenarbeit seit Jahrzehnten beispielhaft.

Volkswagen, das deutsche Vorzeigeunternehmen in China, hat sich in knapp 30 Jahren die Marktführerschaft in China erarbeitet, sein Vorstandsvorsitzender berät inzwischen die chinesische Regierung. Wirtschaftlich ergänzen sich das technologie- und prozessorientierte Deutschland und das flexible China bestens. China ist für viele deutsche Unternehmen Kerngeschäft geworden: Praktisch alle deutschen Unternehmen mit internationalem Auftritt sind heute mit Tochtergesellschaften in China vertreten.

M&A-Geschehen hat profitiert
Natürlich hat das M&A-Transaktionsgeschehen zwischen Deutschland und China von dieser Entwicklung profitiert. Viele deutsche Unternehmen haben in den letzten Jahren die Möglichkeit genutzt, Wachstum und Marktzugang in China durch M&A-Transaktionen zu generieren. Die inzwischen sehr weitgehende Öffnung Chinas für ausländische M&A-Aktivitäten, zunehmender Realismus bei der Bewertung chinesischer Unternehmen nach der Konsolidierung der chinesischen Börsen und die Professionalisierung des M&A-Marktes in China haben ihren Teil dazu beigetragen.

Nach zahlreichen Jahren mit hohen Wachstumsraten im M&A-Geschehen zwischen Deutschland und China war 2012 allerdings ein Jahr der Konsolidierung. Der anstehende Machtwechsel in Beijing, die Abkühlung der chinesischen Konjunktur und die Eurokrise haben dazu geführt, dass insbesondere das Inbound-Geschäft (ausländisches Unternehmen kauft chinesisches Unternehmen) 2012 regelrecht eingebrochen ist. Thomson Reuter nennt lediglich 1.5 Mrd. EUR, die alle europäischen Unternehmen zusammen für 36 M&A-Transaktionen mit chinesischen Targets 2012 ausgegeben haben sollen, davon nur drei Transaktionen mit deutscher Beteiligung. 2011 wurden noch 63 europäische Inbound-Transaktionen gezählt, sieben davon mit deutscher Beteiligung.

Seit dem 2. Quartal 2013 nimmt Inbound wieder langsam Fahrt auf. Doch immer noch herrscht in deutschen Unternehmen Unsicherheit über die weitere Entwicklung Chinas, die Wachstumsgeschwindigkeit seiner Volkswirtschaft und die Stabilität seiner Banken – teilweise zu Recht. Dies lässt viele aktuelle M&A-Projekte zunächst noch in der Wiedervorlage deutscher Vorstandsbüros landen.

China bleibt für Käufer interessant
Auch bei einem deutlich geringeren als dem geplanten Wachstum wird China als Megamarkt mit weiterhin stark steigender Kaufkraft in den kommenden Jahren eine intensiv genutzte Quelle für strategische Ergänzungskäufe deutscher Großunternehmen mit entsprechenden M&A-Budgets sein. Mittelfristig werden sich die Anzahl der Transaktionen und die Transaktionsvolumina im Inbound-Geschäft wieder deutlich nach oben bewegen. Akquisitionsziele werden dabei überwiegend vertriebsorientierte chinesische Unternehmen sein. Im Fokus deutscher Unternehmenskäufer wird die chinesische Kaufkraft stehen und nicht mehr der billige Produktionsstandort China. Ferner werden die veränderten Akquisitionskriterien deutscher Mittelständler und die Finanzierung dieser Transaktionen durch strategische Partner oder Private Equity aus China zu einer Renaissance des Joint Venture als Investmentvehikel für deutsche Unternehmen führen.

Im Gegensatz zu Inbound hat sich das starke Wachstum chinesischer Outbound-Transaktionen im letzten Jahr noch einmal kräftig beschleunigt. Bedenkt man, dass es noch keine zehn Jahre her ist, dass chinesischen Privatunternehmern die Akquisition ausländischer Unternehmen von staatlicher Seite überhaupt genehmigt wurde, ist das Transaktionsniveau chinesischer Unternehmen in Deutschland durchaus beachtlich.

Ernüchterung bei Outbound-M&A?
Allerdings haben chinesische Unternehmen in 2012 gerade einmal 55 Outbound-M&A-Transaktionen in ganz Europa erfolgreich abgeschlossen. Wenngleich eine Reihe von kleineren, nicht erfassten Transaktionen mit Sicherheit fehlt, ist das doch eine ernüchternde Zahl. Auf der anderen Seite legten chinesische Käufer 2012 insgesamt 7.9 Mrd. EUR für diese 55 Transaktionen auf den Tisch und investierten damit im vergangenen Jahr fünf Mal mehr für M&A in Europa als europäische Unternehmen in China.

Die Größenverhältnisse zwischen Inbound und Outbound haben sich also bereits umgedreht, und man kann davon ausgehen, dass das Wachstum der chinesischen Outbound-M&A sich in den kommenden Jahren mit hoher Geschwindigkeit fortsetzen wird.

Mit 15 registrierten M&A-Transaktionen chinesischer Unternehmen 2012 nimmt Deutschland den Spitzenplatz der europäischen Länder ein, mit recht komfortablem Vorsprung vor England und Frankreich. Und es spricht vieles dafür, dass Deutschland auch in Zukunft das wichtigste Zielland in Europa für chinesische Outbound-Transaktionen bleibt:

  • Chinesische Unternehmer schätzen deutsche Technologien und die Zuverlässigkeit deutscher Partner. Auf praktisch jeder „shopping list“ chinesischer Unternehmen stehen deutsche Unternehmen auf den ersten Plätzen.
  • Deutsche Technologieunternehmen – und an solchen sind chinesische Unternehmen auch weiterhin am meisten interessiert – gelten als unterbewertet und günstig, insbesondere im Vergleich zu US-Unternehmen.
  • Während chinesische Käufer in der Vergangenheit bei Zukäufen in Deutschland oft auf „1-Euro-Deals“ gesetzt und sich damit einen Restrukturierungsfall eingehandelt haben, werden heute ganz überwiegend hochwertige, profitable und gut gemanagte Unternehmen gesucht, die einen hohen Preis haben. Insbesondere deutsche Private-Equity-Unternehmen werden sich in den kommenden Jahren zunehmend für das Kaufinteresse solcher chinesischer Strategen für ihre Portfoliounternehmen öffnen und bereit sein, den höheren Zeitaufwand für eine One-on-One-Transaktion mit einem chinesischen Käufer zu akzeptieren.
  • Um Technologien zu erwerben und damit in klar definierten Kernindustrien der Weltmarktführerschaft näher zu kommen unterstützt und forciert die chinesische Regierung aktiv Outbound-M&A-Transaktionen chinesischer Käufer.
  • Die chinesische Private-Equity-Landschaft hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark entwickelt und verfügt über hohe liquide Reserven für M&A-Transaktionen. Da das klassische Private-Equity-Modell in China, eine Minderheitsbeteiligung an einem stark wachsenden Unternehmen einzugehen und dann mit IPO auszusteigen, bis auf Weiteres nicht mehr funktioniert, sucht sich das chinesische Private-Equity-Geld neue Spielwiesen: unter anderem auch die Finanzierung von Outbound-Transaktionen zusammen mit einem strategischen Partner aus China.

Deutscher Mittelstand im Visier
Insbesondere mittelständische Familienunternehmen mit hochwertigen Technologien geraten ins Visier chinesischer Käufer. Zu gut passen deutsche Innovationskraft und Ingenieurskunst mit der Skalierungsfähigkeit chinesischer Unternehmer auf ihrem Heimatmarkt zusammen. Während ein deutscher Mittelständler mit einigen hundert Mitarbeitern einen eigenen Vertrieb in China schon aus Kostengründen kaum aufbauen kann, bietet die Verbindung einer solchen deutschen Technologie mit einem chinesischen Partner unmittelbaren Marktzugang durch ein etabliertes Vertriebsnetz in China. Im Gegenzug profitiert der chinesische Partner von der Technologie des deutschen Partners und seiner Ingenieurskunst.

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