Mehr als heiße, kalte, trockene oder reine Luft: Druckluft

Bei Kompressoren denkt man im ersten Augenblick an die kastenförmigen lauten Teile auf Rädern, die viel zu lange an irgendwelchen Baustellen lärmen. So etwas stellt Kaeser natürlich auch her, das Geschäft liegt allerdings ganz überwiegend bei Anwendungen im industriellen Bereich. Kaeser bietet dabei umfassende Systemlösungen, die die Drucklufterzeugung, die Druckluftaufbereitung sowie die Druckluftverteilung umfassen. Dabei hat das Unternehmen früh die Energieeffizienz als verkaufsförderndes Argument entdeckt.

Das Angebot umfasst eine breite Auswahl unterschiedlicher Kompressoren, die zugehörige Ausrüstung und Ersatzteile. In den letzten Jahren musste Kaeser im reinen Produktgeschäft dem Vernehmen nach – so berichtet es zumindest Software-Riese SAP in einer Success Story über eine IT-Lösung bei Kaeser – allerdings sinkende Margen durch harte Konkurrenz hinnehmen. Das Geschäftsmodell wurde daher weiterentwickelt: von einem reinen Produktanbieter zu einem Systemlieferanten, der die lückenlose Druckluftversorgung sicherstellt und neben Support auch technische Beratung anbietet.

Klassische Gründungs- und Wachstumsstory

Das Unternehmen wurde 1919 in Coburg von Carl Kaeser als Maschinenbauwerkstätte gegründet. Ersatzteile für Kraftfahrzeuge und Motoren, insbesondere Zahnräder, und später auch der Bau von Sondermaschinen für die Glasindustrie, die in der Region seinerzeit dominant war, prägten das Geschäft. Nach dem Krieg verlor Kaeser durch die deutsche Teilung einen großen Teil des angestammten Absatzgebiets. Da zum Wiederaufbau in Deutschland viele Kompressoren benötigt wurden, machte Kaeser aus der Not eine Tugend. Schnell hatte man dank des Know-hows im Motorenbau ein Sortiment von Kolbenkompressoren mit 60 Kilowatt Leistung aufgebaut.

Die zweite Generation in Gestalt von Carl Kaeser junior erweiterte Anfang der 70er Jahre das Sortiment um Schraubenkompressoren. Es folgte die internationale Expansion, eine Übernahme in Frankreich sowie die Akquisition der Geraer Kompressorenwerke 1991. In der Folge wächst Kaeser zu einem international bedeutenden Kompressor-Hersteller. Heute beschäftigt Kaeser weltweit rund 4.000 Mitarbeiter. Das weiterhin ausschließlich in Familienhand gehaltene Unternehmen wird in dritter Generation von Thomas Kaeser und Tina-Maria Vlantoussi-Kaeser geleitet.

Zahlreiche Anwendungen in interessanten Branchen

Druckluft, erzeugt von Kompressoren, wird in praktisch allen industriellen Branchen benötigt. So sind zum Beispiel alle textiltechnischen Anwendungen von qualitativ hochstehender Druckluftversorgung abhängig, um den Schussfaden über Maschinenbreiten von bis zu vier Metern zu katapultieren. „Dieser Vorgang wiederholt sich bei Volllast der Webmaschine über 700 Mal pro Minute mit rund 160 km/h“, führt das Unternehmen in einem Anwenderbericht aus. Auch die Druckindustrie kommt nicht ohne Druckluft aus, denn Rotationsdruckmaschinen funktionieren nur mit Druckluft, und vor allem im Versand ginge nichts ohne Steuer- und Arbeitsluft, etwa für korrektes Separieren einzelner Blätter, damit Beilagen an die richtige Stelle kommen. In der Photovoltaik-Industrie kann ebenfalls nicht auf Druckluft verzichtet werden. Die fragilen Silizium-Wafer etwa werden mit Druckluft vereinzelt und transportiert. Roboter in zahlreichen Branchen arbeiten mit sogenannten Bernoulli-Greifern, über deren Greiffläche Druckluft mit so hoher Geschwindigkeit strömt, dass die Werkstücke vom Unterdruck angesaugt werden und sich berührungslos umsetzen lassen.

Die übliche Verschwiegenheit des Familienbetriebs

In der Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache gibt sich das Unternehmen mit der bei Familienbetrieben üblichen Verschwiegenheit. Über Produkte und Anwendungen wird zwar in einem eigenen Blatt regelmäßig und aufwändig informiert, aber die Frage nach Umsatz und Gewinn ließ das Unternehmen unbeantwortet. Aus anderen Quellen werden Erlöse in Höhe von 500 Mio. EUR pro Jahr verlautbart. Auch zur Ertragslage gibt es keine offiziellen Zahlen. In den vergangenen Jahren hat Kaeser erhebliche Investitionen in den Aufbau eines Service-Netzes, die dazu notwendige Informationstechnologie sowie die Logistik, unter anderem durch den Bau eines neuen Hochregallagers, gestemmt – dies ohne den Kapitalmarkt etwa durch die bei vielen Unternehmen beliebten Mittelstandsanleihen anzuzapfen. Über das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital bei diesen Investitionen wurde nichts mitgeteilt.

Fazit

Kaeser Kompressoren zählt zu den echten Hidden Champions mit einer attraktiven Anwendung. Von einer Nische zu sprechen, wäre untertrieben, denn als wichtiger Technologiezulieferer in großen Branchen wie der Textil-, Druck-, Photovoltaik- oder Halbleiterindustrie ergibt sich ein Milliardenmarkt. Die Story hätte Charme für den Kapitalmarkt, doch nach Lage der Dinge scheint der Familie nichts ferner zu liegen als eine Öffnung für Investoren.

Stefan Preuß

Ursprünglich erschienen im GoingPublic Magazin 2-3/2012.

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