Der Biotest-Hauptsitz in Dreieich; Foto: Biotest AG

 

Vor über 60 Jahren wurde das hessische Familienunternehmen Biotest gegründet, vor einem Vierteljahrhundert wagten die Hessen den Schritt aufs Parkett. Heute ist die Familie zwar nicht mehr im operativen Management tätig, steht aber nach wie vor hinter ihrem Unternehmen. Wie wirkt sich diese Kombination auf Biotest aus?

Die Biotest AG wurde als Biotest-Seruminstitut GmbH in Frankfurt 1946 gegründet. Zusammen mit seinem Sohn Hans legte Carl-Adolf Schleussner den Grundstein für den heutigen SDAX-Konzern. Zunächst konzentrierte sich Biotest auf die Forschung im Bereich Blutgruppenserologie. Der Durchbruch gelang den Hessen mit ihrem Testserum Anti-D. Hiermit war es möglich, den Rhesusfaktor zu bestimmen. So konnten negative Folgen im Zuge einer Bluttransfusion mit inkompatiblem Blut vermieden werden. Ab 1949 kamen dann auch Produkte für den therapeutischen Bereich hinzu. Über die kommenden Jahre wuchs das Familienunternehmen stetig weiter.

Um den weiteren Ausbau der beiden Geschäftsbereiche Pharma und Diagnostik voranzutreiben, wurde das Unternehmen 1986 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Nur ein Jahr später folgte der Börsengang. Seitdem sind sowohl Stamm- als auch Vorzugsaktien im Frankfurter Prime Standard notiert. 2007 schaffte Biotest mit seinen Vorzugsaktien den Sprung in den SDAX.

Kurzprofil – Biotest AG
Branche Biotechnologie
Zentrale Dreieich
Grösste Anteilseigner Familie Schleussner über Ogel GmbH (50,03%)

 

Schwerwiegende Entscheidungen

1999 entschied die damalige Geschäftsführung in Übereinstimmung mit Familie Schleussner, unter hohen finanziellen Investitionen die Produktionskapazitäten zu erweitern und die Internationalisierung voranzutreiben. Der Umzug nach Dreieich, wo der heutige Hauptsitz ist, folgte – ein Schritt, der das Unternehmen drei Jahre später in eine finanzielle Schieflage brachte. Doch durch konzerninterne Restrukturierungsmaßnahmen schrumpfte sich Biotest wieder gesund und trennte sich von einigen Tochterunternehmen, darunter Diaclone (Antikörperforschung), EnviteC (Atemalkoholtestgeräte etc.) und die Tochter Biotest Medizintechnik (Blutdiagnoseprodukte und Zellseparatoren). Man konzentrierte sich wieder auf das Kerngeschäft.

Biotest AG  – Geschäfts- und Kennzahlen
2011 2012e 2013e
Umsatz* 422 440 480
Nettoergebnis* 19 23 28
EpS 1,6 1,9 2,3
KGV 24,2 20 17
*) in Mio., sämtliche Angaben in EUR;
Quelle: equinet Bank, GoingPublic Research

 

25 Jahre an der Börse

Auch für den heutigen CFO Dr. Michael Ramroth war diese Zeit die härteste seit dem Going Public. „Die schwierigste Phase war sicher die Zeit der Krise der Biotest AG 2002/ 2003. Damals brachen die Preise für die Biotest-Produkte aufgrund des Überangebots an Plasma in den Exportmärkten um 25 bis 30% ein. Das bisher profitable Unternehmen musste einen Verlust von mehr als 17 Mio. EUR ausweisen und die Anleger bezweifelten, ob Biotest je wieder in die Gewinnzone würde zurückkehren können“, erklärt Ramroth gegenüber dem GoingPublic Magazin. Ein Umdenken war gefragt: „2003 erreichte der Kurs der Stammaktien den absoluten Tiefpunkt mit 3,15 EUR und die Vorzugsaktien kosteten nur noch 2,85 EUR. Intern galt es sich neu zu strukturieren und die Biotest neu aufzustellen und extern bei Anlegern, Investoren und Banken neues Vertrauen aufzubauen.“

Kein Rückzug

Die Kontrolle über Biotest gab Familie Schleussner in all den Jahren bis heute nicht auf und hält aktuell über die Ogel GmbH eine knappe Mehrheit von 50,03% der Stämme. 2008 überlegte die Familie, die Mehrheit an dem Pharmaunternehmen aufzugeben, aber dieser Gedanke wurde – der offiziellen Erklärung zufolge – aufgrund der damaligen positiven Entwicklung wieder ad acta gelegt. Mit Dr. Catherine Schleussner ist die Familie noch im Aufsichtsrat vertreten. Ein Umstand, der für Ramroth durchaus positiv für Biotest ist. „Die Gründerfamilie hält mehr als 26% des gesamten Aktienkapitals und mehr als 50% der Stimmrechte. Die Tochter des Firmengründers vertritt die Familie im Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat trägt durch seine langjährige Erfahrung, seine großen Kenntnisse des Geschäfts, der Wettbewerber und der Besonderheiten der Plasmaindustrie dazu bei, dass die strategische Ausrichtung des Unternehmens ständig überprüft wird und neue Entwicklungen frühzeitig erkannt werden.“

Einen weiteren Vorteil des Engagements der Familie sieht Ramroth in der Nachhaltigkeit. „Zudem gewährt die Kontinuität im Vorstand sowie im Kontrollgremium mit der Kenntnis der lang andauernden Entwicklungszeiten in der pharmazeutischen Industrie die stabile Weiterentwicklung neuer Präparate und den stetigen Geschäftsausbau durch Investitionen auch in Zeiten etwas rückläufiger Quartalszahlen.“