Ufo zwischen Nadelgehölz
Wenn man sich von Süden von einer Ortschaft mit dem schönen Namen „24 Höfe“ durch allerlieblichste Schwarzwald-Landschaft der riesigen Fabrik nähert, dann wirkt der moderne Komplex mit den großen Glasfronten wie ein Ufo, das da im tiefen Tann gelandet ist. Wenn heute ein Betriebswirtschaftsseminar den attraktivsten Standort für einen Maschinenbauer eruieren sollte, wäre wahrscheinlich nur eines klar: Loßburg, im Hochlohnbland Deutschland fern der Autobahn, Eisenbahn und des nächsten Flughafens, würde so ziemlich auf dem letzten Platz landen.

Doch das ficht die Eignerfamilie Hehl nicht an. Im Gegenteil: Arburg sei mit Bedacht und ganz bewusst so aufgestellt, wie es aufgestellt ist: die weltweite Produktion an einem Ort konzentriert, kein Zweigwerk im Osten, keines in China. Der Erfolg des Unternehmens bestätigt diesen Weg. Deshalb gibt es Arburg in genau dieser Form. Mit rund 1.680 Mitarbeitern im Stammwerk Loßburg auf rund 146.000 Quadratmetern „Nutzfläche“, lässt das Unternehmen auf seiner Webseite wissen.

Innovation aus Tradition
Ganz offensichtlich gibt es entscheidende Standortfaktoren und Management-Qualitäten abseits des betriebswirtschaftlichen Mainstreams, denn nach Lehrbuch ist der Erfolg von Arburg nur schwer erklärbar. „Was macht ein erfolgreiches Unternehmen aus? Technologieführerschaft, Innovationsbereitschaft, eine flexible, kundenorientierte Organisation, motivierte Mitarbeiter, kompromisslose Qualität und zukunftsgerichtetes Denken, das Ideen mit Weitblick aufgreift und entwickelt, bevor es andere tun. Diese grundlegenden Determinanten vereint Arburg zu einem unternehmerischen Gesamtkonzept, das sich dadurch auszeichnet, innovativ aus Tradition heraus zu sein.“ Davon abgesehen, dass der übliche Marketing-Sprech auch vor der Provinz nicht Halt macht: Eine stark zentralisierte Produktion und Entwicklung mit einer wenig fluktuierenden Belegschaft schaffen ein offenbar konkurrenzfähiges Unternehmen: 100% Made in Germany, Hochlohnland hin oder her.

Lange Tradition
Die Geschichte von Arburg ist die Geschichte kontinuierlichen Wachstums. Von Chirurgie-Mechaniker Arthur Hehl 1923 als Firma für medizinische Präzisionsinstrumente gegründet, wuchs das Unternehmen ab 1950 im Gebrauchsgüterbereich: Es produzierte Haarnadeln ebenso wie Drahtkörbe – eben alles aus Metall, was im Nachkriegsdeutschland händeringend gebraucht wurde. 1950 erfolgte die Produktionsumstellung auf Blitzlichtgeräte für die sich entwickelnde private Fotografie. Vier Jahre später konstruierte Karl Hehl die erste Spritzgussmaschine. Isolationsprobleme an den Steckverbindungen zwischen Blitzlicht und Fotoapparaten brachten ihn auf die Idee, die Kontakte mit Kunststoff zu ummanteln. Kurz darauf startete die Serienproduktion von Spritzgussmaschinen mit zehn Mitarbeitern aufgrund der großen Marktnachfrage, und 1960 wurde die 1000. Spritzgussmaschine verkauft.

Zu einer Zeit, als viele Unternehmen Globalisierung und Internationalisierung noch nicht auf der Agenda hatten, war Arburg bereits weltweit erfolgreich: 1969 ging die 500. Maschine nach Japan, 1970 lag der Exportanteil bei 53%. Als erster Spritzgusshersteller verwendete Arburg elektronische Steuerungen für seine Maschinen und arbeitete dabei mit dem Giganten IBM zusammen. Heute ist Arburg Weltmarktführer bei Spritzgussmaschinen bis 5.000 kN Schließkraft. Unternehmen praktisch aller Branchen nutzen die Schwarzwälder Präzisionsmaschinen wenn es darum geht, Kunststoff effizient zu verarbeiten. Für das Geschäftsjahr 2010 rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz von gut 340 Mio. EUR. Das ist gegenüber dem Krisenjahr 2009 eine Steigerung von etwa 50%. Doch selbst diesen überaus herben Einbruch hatte Arburg überstanden, ohne Fremdkapital in die Firma nehmen zu müssen. 56% des Umsatzes werden außerhalb Deutschlands gemacht.

Börsengang – was ist das?
Die Frage nach der Möglichkeit eines Börsenganges oder zumindest der Begebung einer Anleihe zum Beispiel am Bondm der Ländle-Börse in Stuttgart ließ die Geschäftsführung kalt. Zu diesem Thema wolle sich die Geschäftsleitung überhaupt nicht äußern, teilte die Presseabteilung mit. Überhaupt ist das Unternehmen einigermaßen verschwiegen, was Ertragszahlen oder Eigenkapitalquote betrifft. Weder finden sich auf der Webseite entsprechende Daten, noch waren auf schriftliche Anfrage hin Zahlen zu erhalten.

Auch hier also das Beharren auf einem Sonderweg, denn die meisten Familienunternehmen dieser Größe – Arburg ist mit eigenen Organisationen in 24 Ländern an 32 Standorten und mit über Handelspartnern in mehr als 50 Ländern vertreten, beschäftigt mehr als 2.000 Mitarbeiter und hält eine hohe dreistellige Zahl von Patenten und Gebrauchsmustern – sind dann doch etwas offener.

Fazit
Bei Arburg handelt es sich um die Erfolgsstory einer Familienfirma, wie sie typischer für das Land der Tüftler im Südwesten nicht sein könnte. Man beschränkt sich auf die lukrative Nische der Spritzgussmaschinen und verzichtet bislang auf die Erweiterung in andere Bereiche des Maschinenbaus. Heimatverbundenheit auf die spritzige Art, sozusagen. Die Entscheidung, keine Fabrikationsstandorte in sogenannten Billiglohnländern mit all deren Komplikations- und Konfliktpotenzial zu errichten, erscheint in der Nachbetrachtung – viele Mittelständler haben zuletzt wieder den Schritt in die Heimat getan – fast schon als weise. Das Vorgehen verlangt angesichts des hohen Auslandsumsatzes nach besonders umsichtiger Währungsabsicherung, da keinerlei „natural hedging“ möglich ist, aber auch das scheint das Unternehmen zu bewerkstelligen.

Stefan Preuß

Ursprünglich erschienen im GoingPublic Magazin 03/2011.
 

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