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Die EU-Kommission plant, dass Unternehmen im Interesse der Nachhaltigkeit stärker denn je auf die Umwelt und ihre Stakeholder achten sollen. Eine neue Bundesregierung muss dringend auf mehr Vernunft in dieser Diskussion drängen.

Wozu sind Unternehmen da? Wie kann man Finanzströme in „grüne“ Unternehmen lenken? Das sind Fragen, mit denen sich Politik, Regulierer und Wissenschaft, aber auch die Wirtschaft derzeit auseinandersetzen. Beispielsweise meint die EU-Kommission, dass das Gesellschaftsrecht und die Regeln zur Unternehmensführung Hindernisse auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaft darstellen. Unter dem Stichpunkt „Sustainable Corporate Governance“ plant sie tiefgreifende Änderungen im europäischen Gesellschaftsrecht. Eine neue Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene in diese Diskussion stärker einbringen.

Sorgfaltspflichten für Vorstand und Aufsichtsrat in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Der Kommission schwebt vor, dass die Unternehmen die Interessen all ihrer Stakeholder verpflichtend auszubalancieren haben. Eine solche allgemeine Pflicht wird jedoch nicht dazu führen, dass Unternehmen nachhaltiger geführt werden. Die Interessen aller Stakeholder auszubalancieren, ist schlichtweg nicht möglich. So wie es gesamtgesellschaftlich teilweise unauflösliche Zielkonflikte gibt, trifft dies auch für die Stakeholder eines Unternehmens zu.

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Nach den Vorstellungen der EU-Kommission müssten die Unternehmenslenker die Interessen aller (!) möglicherweise betroffenen Stakeholder erst einmal ermitteln. Alle Interessen jenseits des Offensichtlichen zu erkennen, ist bereits völlig unrealistisch. Diese vielfältigen und konfligierenden Interessen dann in angemessener Weise in praktische Konkordanz zu bringen, ist ein vollends unmögliches Unterfangen. Gelingt dies aber nicht, würden Vorstands- und wahrscheinlich auch Aufsichtsratsmitglieder ihre „Pflicht“ gegenüber mindestens einem Stakeholder nicht erfüllen können und persönlich hierfür haften. Das ebenfalls angedachte Klagerecht von Nichtregierungsorganisationen persönlich gegen Organmitglieder verschärft diese Problematik nochmals.

Gesetzliche Unternehmensziele als Lösung?

Derzeit können Unternehmen im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen agieren und ihre Strategie verfolgen. Sie sind gut beraten, hierbei Nachhaltigkeitsrisiken wie auch -chancen zu analysieren und adressieren – daher tun sie dies bereits jetzt schon. Politik und Regulierer haben zur Förderung von mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft bisher auf Transparenz gesetzt und Unternehmen auf ein Nachhaltigkeits-Reporting verpflichtet. Nun scheint ihnen dies jedoch nicht mehr auszureichen, und sie wollen die Unternehmen auf bestimmte Strategien und Ziele festlegen. Im Gespräch ist, dass Unternehmen neben der oben genannten Sorgfaltspflicht eine Nachhaltigkeitsstrategie aufsetzen und negative Auswirkungen auf Umwelt und Soziales „verhindern“ müssen.

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Bei letzterem liegt das Problem auf der Hand: Wenn es eine staatliche Genehmigung einschließlich erfolgter Umweltverträglichkeitsprüfung zu einem Anlagenbau gibt, wäre die Verwirklichung des Projekts dennoch mit einem Eingriff in die Umwelt verbunden. Ist dann der erlaubte Bau eine Verletzung einer solchen allgemeinen und unbestimmten Verhinderungspflicht? Wie sollen die Manager noch entscheiden? Solche weder mit Umweltgesetzen noch Verwaltungsverfahren abgestimmte Generalnormen im europäischen Gesellschaftsrecht würden eher zu mehr Unsicherheit führen, was nicht das Ziel einer umsichtigen Politik sein kann.

Fazit

Die EU-Kommission will letztlich den Unternehmen vorschreiben, welche Ziele und Strategien sie zu verfolgen haben. Das geht weit über das Setzen notwendiger Rahmenbedingungen nachhaltigen Wirtschaftens hinaus. Unbestimmte und nicht erfüllbare Pflichten im europäischen Gesellschaftsrecht sind systemwidrig und würden Entscheidungen von Unternehmen eher lähmen als fördern. Das können wir uns im Transitionsprozess zu einer nachhaltigeren Wirtschaft nicht leisten.

Dr. Cordula HeldtZur Autorin:
Dr. Cordula Heldt ist seit 2005 beim Deutschen Aktieninstitut für Corporate Governance und Gesellschaftsrecht zuständig. Zudem leitet sie die beim Aktieninstitut angesiedelte Geschäftsstelle der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex. Studiert hat die Juristin in Frankfurt und Mailand.

Autor/Autorin

Dr. Cordula Heldt