Das Drehbuch hätte man kaum unglaubhafter verfassen können: kein halbes Jahr an der Börse – zahlungsunfähig; drei börsennotierte Unternehmensanleihen: vom Investmentgrade-Rating BBB- direkt in die insolvenzbedingte Handelsaussetzung; dazu Buddy-Business, Kabale und Mode. Wir versuchen an dieser Stelle herauszufinden, was an der Steilmann-Insolvenz exakt überraschend oder spektakulär ist.

Die Frisur findest genauso wenig Halt wie die Steilmann-Geschäftszahlen. Foto: Steilmann SE
Die Frisur findest genauso wenig Halt wie die Steilmann-Geschäftszahlen. Foto: Steilmann SE

Mit der Historie halten wir uns so kurz wie möglich. Der Steilmann-Modekonzern dürfte der überwiegenden Mehrheit gut bekannt sein: Klaus Steilmann gründete 1958 zunächst eine gleichnamige GmbH. Mutterkonzern der Ende März 2016 insolventen Steilmann SE ist die gleichnamige Holding, inzwischen mit dem gleichen Schicksal: in der Selbstdarstellung „international expandierender Textilkonzern mit weltweit rund 7.000 Mitarbeitern“, davon knapp 30% in Deutschland. Firmensitz der SE wie auch Holding ist Bergkamen.

2013 erfolgte die doch halbwegs Aufsehen erregende Übernahme der börsennotierten Adler Modemärkte durch die damals noch nicht börsennotierte Steilmann-Boecker GmbH. Im Rahmen einer Konzernneuausrichtung wurden die zahlreichen operativen Tätigkeiten 2015 schließlich in der Steilmann SE gebündelt, kontrolliert durch besagte Steilmann Holding (88%, weitere 12% Streubesitz). Die SE wiederum schaffte schließlich – mehr schlecht als recht, es gab mehrere Anläufe – Ende 2015 den Sprung aufs Frankfurter Börsenparkett.

Schon mehrfach Spitz auf Knopf
Ebenfalls wichtig für den Hintergrund: Die Steilmann-Gruppe ist gemessen am Umsatz zwar eines der größten deutschen Textilunternehmen. 2002 geriet der deutsche Bekleidungsproduzent erstmals in eine bedrohliche Schieflage, weshalb das italienische Textilunternehmen Miro Radici die wesentlichen Steilmann-Marken kaufte. Als 2006 aufgrund von Missmanagements und Führungsquerelen erneut eine Insolvenz drohte, wurde der deutsche Modekonzern von Radici vollständig übernommen. Steilmann war ab seither italiano.

Wir schreiben den 5. November 2015: Der Steilmann SE „gelingt“ der Börsengang, mit 8,8 Mio. EUR platziertem Slim-
Size-Volumen – statt geplanter bis zu 100 Mio. EUR. Bookrunner sind Oddo Seydler Bank (vormals Close Brothers
Seydler Bank) und Banca Imi, beides Hausadressen des Modekonzerns. Oddo Seydler war auch an der Platzierung/Aufstockung aller drei Steilmann-Unternehmensanleihen beteiligt, während Banca Imi auf die größtenteils italienischen Vorstandsmitglieder (der Holding) zurückgehen dürfte: Michele Puller, CEO, Massimo Giazzi, COO, sowie
Paola Viscardi-Giazzi, CFO. Kein gutes Omen. Verwandte im Management, sogar im höheren Management: zwei
von vier Vorständen. GoingPublic Online titelte seinerzeit bereits vielsagend im „IPO im Fokus: Steilmann – Wachstum oder Scheitern“.

Anrennen für EigenkapitalSteilmann Boecker
Dass sämtliche beim IPO angebotenen Papiere aus einer Kapitalerhöhung stammten (sowohl ursprünglich als auch final), kann man auf zweierlei Weise interpretieren:Entweder positiv, da Alteigner sich nicht von ihren Anteilen zu trennen
gedachten und offenbar an die Zukunftsfähigkeit ihres Lebenswerks glaubten – die Giazzis sind seit über 20, Puller seit rund 30 Jahren für Steilmann aktiv; oder weniger positiv, indizierte die Kapitalmaßnahme doch schon damals den Need for Speed, die (verzweifelte) Suche nach Eigenkapital. Die übrigens auch kein Geheimnis war. Bis dahin hatte Steilmann bereits drei Unternehmensanleihen im Gesamtvolumen von 88 Mio. EUR begeben und damit den Bogen auf der FK-Seite bis zum Erträglichen gedehnt.

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