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Seit knapp drei Quartalen bestimmen tiefe Krisen den öffentlichen Diskurs. Das gilt für die immanente gesundheitspolitische wie auch die daraus resultierende wirtschaftliche Ausnahmesituation. Staatlicherseits hat man auf diese Notsituation mit Hilfspaketen historischen Ausmaßes reagiert. Das Motto war und ist: „Koste es, was es wolle.“ Das Ziel hinter dieser Strategie war auch, das Systemverstrauen in der Bevölkerung zu stärken und den Optimismus zurückzubringen. Gelungen ist das bisher nur in eingeschränktem Ausmaß. Am 14. Oktober, dem Tag seiner ersten Budgetrede im Nationalrat, brachte Finanzminister Gernot Blümel ein virulentes Problem auf den Punkt: „Durch die Unsicherheit springt der Konsum nicht so an, wie das die Geldmenge erlauben würde. Und: Die Sparquote ist massiv gestiegen.“

Es braucht Donald statt Dagobert

Mit dieser Problembenennung erinnerte Blümel an den ehemaligen Chef-Volkswirt der Grünen, den heutigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Dieser hatte zur Illustration zentraler volkswirtschaftlicher Prinzipien gern Anleihen bei der Populärkultur genommen. Der wirtschaftliche Kompetenzvergleich zwischen Dagobert und Donald Duck, so der Ex-Wirtschaftsprofessor, fiele eindeutig zugunsten Donalds aus. Denn: Dagobert horte sein Vermögen bloß in einem Geldspeicher und schade so der Wirtschaft enorm.

Die harten Fakten seit Ausbruch der Krise deuten aktuell leider ähnliche verhaltensökonomische Muster an. Die Österreichische Nationalbank stellte seit Verhängung der ersten Lockdown-Maßnahmen im März dieses Jahres einen Anstieg der heimischen Sparquote von 7,4% auf rund 13% fest. Fiskalpolitisch hat sich auch einiges getan: Im Gegensatz zur Phase nach der Finanzkrise 2008 gab es zuletzt etwa in den USA einen signifikanten Geldmengenzuwachs. Weil das auf eine durch die Wirtschaftskrise bedingte Angebotsverknappung trifft, wäre eigentlich mit einer höheren Inflation zu rechnen. Derzeit verhindert diesen Effekt aber eine nach wie vor hohe Produktivität, bedingt durch einen globalen Digitalisierungsschub.

Faktum ist angesichts all dessen, dass es aufgrund der wieder zunehmenden Einschätzung, der Staat würde die Krise durch immer größere Hilfspakete schon bewältigen, Gegenmaßnahmen braucht, um eine ökonomische Verhaltensänderung in der Bevölkerung auszulösen. Zentral ist dabei, das Bewusstsein für die eigene Rolle der Bürgerinnen und Bürger bei der Bewältigung der ökonomischen Krise zu schärfen. Angesichts massiver Probleme bei der Unternehmensfinanzierung ist es nicht egal, welche Rolle die finanziellen Rücklagen der Bevölkerung dabei in den kommenden Jahren spielen.

Verhaltensökonomie muss sich ändern

Dem Kapitalmarkt fällt dabei eine ganz entscheidende Rolle zu. Um ihn noch attraktiver zu machen und seine Grundprinzipien breiteren Bevölkerungsgruppen überhaupt erst verständlich zu machen, braucht es einen deutlichen regulatorischen Anschub und veränderte Rahmenbedingungen seitens der Politik. Und – an dieser Stelle darf in diesem Artikel erstmals berechtigt Hoffnung aufkeimen – es gibt tatsächlich erste kräftige Impulse in diese Richtung. Schon mit dem Regierungsprogramm im Januar dieses Jahres überraschte die türkis-grüne Bundesregierungskonstellation in Sachen Kapitalmarkt: Der „Börsen-Kurier“ titelte: „Bullishe Signale in Türkis-Grün“. Und der „Börsianer“ lobte, nicht minder gut gelaunt: „Mit Werner Kogler geht ‚Realo-Politik‘.“

Kapitalmarkt ist ein Schlüsselelement

Im türkis-grünen Regierungsübereinkommen finden sich tatsächlich auch langjährige Forderungen einiger Anwälte des heimischen Finanzstandorts, etwa des Aktienforums oder auch der Wiener Börse:

  • Einmal soll die steuerliche Behandlung von Kapitalerträgen deutlich verbessert werden. Dass die Regierungspartner ÖVP und Grüne eine Behaltefrist für KESt-Befreiungen für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten erarbeiten wollen, ist jedenfalls ein klarer Erfolg für all jene, die sich für eine Aufwertung des Finanzplatzes stark gemacht haben.
  • Die Grünen konnten mit der zusätzlichen KESt-Befreiung für ökologische und ethische Investitionen auch ein klimapolitisches Ausrufezeichen setzen.
  • Die Regierung will zudem beim Vermögensaufbau und der Altersvorsorge klare Impulse setzen – und damit einer evidenter Maßen drohenden Pensionslücke vorbeugen: (1) Einmal soll die Möglichkeit einer Kapitalübertragung aus der Vorsorgekasse in eine Pensionskasse dafür sorgen, dann werden (2) dringend überfällige Verwaltungsvereinfachungen bei Pensionskassen und Mitarbeitervorsorgekassen angegangen und (3) eine Weiterentwicklung bei Vorsorgeplänen mit und ohne Kapitalgarantie bei der freiwilligen privaten Vorsorge angedacht.
  • Auch der Überregulierung und der Übererfüllung europäischer Standards (Gold-Plating) soll der Kampf angesagt werden. Das gilt gerade auch für Auflagen im Zuge von IPOs.
    5. Daneben wird, auch das ein überfälliger Schritt, die Stärkung der Financial Literacy in allen Generationengruppen angegangen. Wirtschaftsverständnis und Finanzwissen sollen zudem stärkeren Eingang in die heimischen Lehrpläne und Lehrbücher finden.

Ein Punkt, der ebenfalls im Regierungsübereinkommen festgelegt ist, wird aktuell schon in Angriff genommen. Der nächste PISA-Test (PISA steht für „Programme for International Student Assessment“) wurde zwar von 2021 um ein Jahr nach hinten verschoben. Dann allerdings wird in Österreich erstmals überhaupt die optionale Domäne „Finanzkompetenz“ abgefragt. Auch wenn es also noch bis 2023 dauert, ab spätestens diesem Zeitpunkt wird man gut einschätzen können, wie es um das Kapitalmarktwissen der heimischen Schüler bestellt ist. Und noch wichtiger: Wo, darauf aufbauend, tatsächlich anzusetzen ist.

Alles in allem sind das erste positive Ansätze, die zwar Österreichs Sprung in die Top-Gruppe der Finanzstandorte noch nicht garantieren, aber doch ein Umdenken auf der politischen Ebene signalisieren. Wird die Rolle des Kapitalmarkts bei der Unternehmensfinanzierung und auch beim persönlichen Vermögensaufbau in Richtung Pensionsvorsorge stärker akzeptiert, ist das eine der wenigen positiven Entwicklungen, die die aktuelle Krise ausgelöst hat.

Autor/Autorin

Karl Fuchs

Karl Fuchs ist Geschäftsführer des Aktienforums – Österreichischer Verband für Aktien-Emittenten und -Investoren.