Von Andreas John, DZ Bank

In den USA hat die börsennotierte Facebook Inc. den Rivalen WhatsApp im Februar 2014 für USD 19 Mrd. in bar und eigenen Aktien gekauft. Auch die Bewertungen anderer (noch) nicht gelisteter Unternehmen muten mit Blick auf das aktuelle Zahlenwerk ambitioniert an: 17 Mrd. USD für den Fahrdienst-Vermittler Uber auf Basis der letzten Finanzierungsrunde im Juni 2014, zweistellige USD Mrd.-Beträge für Airbnb oder Dropbox, 9 Mrd. USD für den Sicherheits- und Finanzsoftwareanbieter Palantir und 4 Mrd. USD für Pinterest. Diese Zahlen erinnern zunächst an die Bewertungsblasen zu Zeiten des Neuen Marktes.

Einige Parallelen bestehen durchaus: Es ist beispielsweise auch im aktuellen Umfeld für Tech 2.0-Unternehmen wichtig, als Erster am Markt aufzutreten und möglichst schnell Marktanteile auf sich zu vereinigen. Jedoch verdienen zahlreiche Unternehmen mit Tech 2.0 bereits heute Geld, und in vielen Fällen schaffen professionelles Management und Unternehmensstrukturen die Voraussetzungen, die rasanten Entwicklungen ertragsschöpfend zu nutzen.

Andreas John, DZ Bank
Andreas John, DZ Bank

Bewertung aus Basis von Erträgen

Geschäfts¬modelle, die nach Umsatz, Gewinn und EBITDA wachsen, schaffen einen fundamentalen Wert. Am Kapitalmarkt findet die Bewertung bislang grundsätzlich auf Basis von Erträgen statt und nicht anhand von Nutzer-Clicks oder Facebook-Likes, auch wenn Nutzer¬zahlen werbend eingesetzt werden. So wies etwa das führende chinesische E-Commerce-Unternehmen Alibaba, das im September 2014 als weltgrößtes IPO an die Nasdaq ging, einen Umsatz im 3. Quartal 2014 von USD 2,74 Mrd. auf und erzielte eine non-GAAP EBITDA Marge von 50,5%. Ohne Zweifel sind die Bewertungen für Tech 2.0 anspruchsvoll; das gilt derzeit aber auch für andere Assetklassen, wie die Bundesbank-Aussagen zu den Immobilien¬preisen belegen. Ohnehin sollte jedem Anleger klar sein, dass wachstums- und wettbewerbs¬intensive Märkte neben großen Chancen auch erhebliche Risiken bergen. Auch nach erfolgreichem IPO gilt, dass sich nicht jedes Geschäftsmodell durchsetzen und seine Bewertung rechtfertigen wird.

Stärkung von Technologie-Unternehmen am deutschen Kapitalmarkt

In Deutschland sind mit dem bekannten E-Commerce-Anbieter Zalando, dem Internet-Inkubator Rocket Internet und dem Hersteller metallbasierter 3D-Drucker SLM Solutions 2014 immerhin drei Tech 2.0-Unternehmen erfolgreich an die Börse gegangen. Im Allgemeinen tun sich allerdings auch 2.0-Geschäftsmodelle bei uns immer noch vergleichsweise schwer, an die Börse zu kommen. Entrepreneure berichten, dass hiesige Start-ups durchaus Finanzierungen in Frühphasen erhalten, auch bei Gründung. Es fehlt jedoch an Kapital in Spätphasen, wenn Unternehmen für ein schnelles Wachstum einen größeren Kapitalbedarf haben. Feststellbar ist ferner unverändert eine Abwanderung von IPO-Kandidaten in andere Wirtschaftsräume und an andere Börsen: So ist die ebenfalls im Bereich der industriellen 3D-Drucker tätige Voxeljet im Oktober 2013 an die Nasdaq gegangen und dasselbe Ziel des OLED-Entwicklers Novaled wurde nur durch deren Erwerb durch Samsung im Herbst 2013 nicht realisiert.

Auch die Politik hat festgestellt, dass sich junge Unternehmen stärker in die USA orientieren, und beschäftigt sich daher intensiv mit den Möglichkeiten, die Finanzierung für junge Wachstumsunternehmen zu stärken. Die Deutsche Börse plant inzwischen den Aufbau einer IPO-Pipeline durch eine neue Vermittlungs¬plattform, auf der Start-ups mit potenziellen Geldgebern ins Gespräch kommen und Investoren sich vor einem möglichen IPO über die Unternehmen informieren können. Für ihren Börsengang können die Gesellschaften dann eines der an der Deutschen Börse etablierten Börsensegmente mit dem jeweils adäquaten Transparenzstandard nutzen.

Auch die Stärkung alternativer Finanzierungsformen wie Crowd Funding wird immer wieder ins Gespräch gebracht. Aktuell ist allerdings nicht absehbar, dass solche Formen den Finanzierungsbedarf in der Breite decken können. Für eine umfassend aufgestellte Finanzierung von Technologie-Unternehmen wird der Kapitalmarkt daher eine wichtige Rolle spielen. Um diese Möglichkeiten besser auszuschöpfen, gilt es, die Formen der Eigenkapitalfinanzierung über den Kapitalmarkt auch in der Kultur der deutschen Wirtschaft noch besser zu verankern.

Der Tech 2.0-Jahrgang 2015

Es besteht aktuell eine erkennbare Pipeline für Tech 2.0 Börsengänge auch in Deutschland, obgleich bislang nur einzelne Unternehmensnamen publik geworden sind. Beispielhaft seien die Scout24 Gruppe genannt, einer der führenden – und profitablen – europäischen Anbieter von Online-Marktplätzen insbesondere für Immobilien und Autos, sowie Delivery Hero, ein Netzwerk in 22 Märkten zur online oder mobilen Essensbestellung.

Fazit

IPO-Erfolge von Tech 2.0-Unternehmen sind auch in Deutschland möglich und wünschenswert. Ein Automatismus besteht marktseitig allerdings nicht – vielmehr bedarf es einer stets gelebten Verantwortung aller bei einem Börsengang eingebundenen Parteien. Mit Blick auf den Kapitalmarkt ist dem Anleger, wie bei jeder Investition unabhängig von der Assetklasse, die eingehende Beschäftigung mit den Bewertungsparametern und eine gewissenhafte Beurteilung der Chancen und Risiken anzuraten.

Zur Person

Andreas John, Abteilungsleiter Vertrieb Aktien bei der DZ BANK, ist seit 20 Jahren im Corporate und Investment Banking tätig. In der DZ BANK verantwortet er den Aufgabenbereich Aktien und Derivate für institutionelle Kunden. Seine umfassende Erfahrung hat er in über 100 IPOs, Kapitalerhöhungen und M&A-Projekten sammeln können.

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