Bildnachweis: Nasdaq Stockholm.

Corona hat zumindest in Deutschland einige heiß gehandelte Börsenkandidaten vom IPO abgehalten. Magere fünf Listings sind zum Jahresende 2020 zu verzeichnen. An der Nasdaq Stockholm hingegen herrscht große Zufriedenheit – und Adam Kostyál, Senior Vice President und Head of European Listings, schraubt die Erwartungen für das kommende Jahr noch einmal deutlich nach oben.

GoingPublic: Herr Kostyál, 2020 war eine konstante Aneinanderreihung von Ausnahmesituationen – wie hat das die Aktivitäten an der Nasdaq Stockholm beeinflusst?

Kostyál: Wir haben großes Interesse an der Nasdaq Stockholm von Seiten potenzieller Emittenten wahrgenommen und sind sehr positiv in das Jahr gestartet. Die Corona-Pandemie hat uns dann natürlich erst einmal einen Schock versetzt. Kurz vor Jahresende kann ich jetzt aber definitiv sagen: zu Unrecht. Die Nasdaq Stockholm hat die Herausforderungen bewältigt. Die Nachfrage hat sich komplett erholt. Der Kapitalmarkt hat sich sehr schnell an die veränderten Bedingungen angepasst – sowohl hinsichtlich der Bewertungsniveaus der Unternehmen als auch in Bezug auf die Interaktionen. Die Geschäftstätigkeit hat sich nur einfach in den virtuellen Raum verlagert. Insgesamt haben wir bis dato 57 Neuzugänge an der Nasdaq Stockholm verzeichnet, nach 47 Listings 2019. Wir hatten also ein fantastisches IPO-Jahr.

An den deutschen Börsen ist die Bilanz eher mau. Was macht den Unterschied aus?

Unser definitiver Vorteil ist es, dass Schweden eine Aktienkultur hat – anders als die meisten anderen europäischen Märkte. Jeder Haushalt, jede Familie, ist direkt oder indirekt am Markt aktiv, besitzt Aktien oder Fonds. Wir haben ein echtes und weit verzweigtes Ökosystem, das Börse und Kapitalmarkt versteht und lebt.

Was heißt das konkret für die Unternehmen?

Neben den Dienstleistern und Investmentbanken, die ausschließlich an großen Börsengängen interessiert sind, haben wir ein Netzwerk an Beratern und Spezialisten, die auch kleine und mittlere Unternehmen bei ihren IPOs begleiten. Das ist ein großer Mehrwert, den wir mitbringen und der uns von anderen Börsen in Europa unterscheidet.

Mit einem Listing an der Nasdaq Stockholm bekommen auch kleinere Emittenten die nötige Visibilität am Markt und können das nötige Kapital für ihre nächsten Wachstumsschritte einsammeln.

Mit dem IPO ist es aber ja nicht getan.

Glücklicherweise nicht – schließlich haben börsennotierte Unternehmen, auch nach dem IPO jederzeit die Möglichkeit, über den Kapitalmarkt frisches Kapital einzusammeln und ihren Wachstumspfad weiter zu verfolgen – das ist vor allem für kapitalintensive und langfristig orientierte Branchen wie die Biotechnologie ein Vorteil.

Wie viele internationale Unternehmen haben sich denn bereits von den Argumenten für die Nasdaq Stockholm überzeugen lassen?

Heute kommen etwa 10% unserer Listings aus dem Ausland. Wir sehen aber hier aber einen ganz klaren Aufwärtstrend. Wir sprechen mit zahlreichen Unternehmen – auch aus Deutschland –, die einen Börsengang an der Nasdaq Stockholm in Erwägung ziehen und ganz genau wissen möchten, ob das IPO bei uns eine Alternative sein kann.

Gerade in Deutschland gibt es viele Unternehmen, die für ein IPO am Heimatmarkt nicht groß genug sind, aber bei uns absolut richtig wären – wir verbringen aktuell viel Zeit in Deutschland.

Mit wem unterhalten Sie sich denn da so?

Ein netter Versuch – aber natürlich kann ich mich dazu nicht äußern. Was ich aber sagen kann: Die erfolgreichen Beispiele, die an der Nasdaq Stockholm reüssieren, regen die Aktivität und Nachfrage stetig weiter an.

Für welche Branchen ist ein Listing an der Nasdaq Stockholm besonders attraktiv?

Wachstumsbranchen wie Gaming oder Cleantech, die eine starke internationale Ausrichtung haben, finden hier ein perfekt passendes Ökosystem mit interessierten Investoren, einer starken Peergroup, zahlreichen Analysten und einer großen Community an Dienstleistern. Natürlich kann auch ein deutsches Unternehmen aus dem Immobiliensektor sein Glück bei uns versuchen, aber darauf richten die meisten schwedischen Investoren nicht ihren Hauptfokus.

Auf welchen Unternehmen wiederum konzentrieren Sie Ihre Aktivitäten?

Wir interessieren uns für Firmen, die weltweit wachsen wollen und eine innovative Technologie sowie ein solides Geschäftsmodell mitbringen.

Wem raten Sie als Tochter der Nasdaq Group, die auch hinter der Nasdaq New York steht, zu einem Dual Listing?

Ein Zweit-Listing kann für unterschiedlichste Unternehmen eine Möglichkeit sein, ihren Marktwert zu steigern. Man erhält Zugang zu einem neuen Investorenkreis und einem gut ausgebauten Ökosystem. Ein konkretes Bespiel für ein erst kürzlich gelungenes Dual-Listing gibt es mit der Media and Games Invest (MGI), die seit Oktober neben ihrer Börsennotiz in Frankfurt auch an der Nasdaq Stockholm gelistet sind. Das Unternehmen passt perfekt an die Stockholmer Börse, da es profitabel und wachstumsstark sowie im attraktiven Gaming-Markt unterwegs ist, der für schwedische Investoren hoch interessant ist. Besonders in der aktuellen Corona-Zeit erlebt die Gaming-Branche einen enormen Nachfrage-Boom. Das Dual-Listing von MGI kam also genau zur richtigen Zeit.

Über ein Zweit-Listing in den USA nachdenken sollten hingegen nur Unternehmen, die nicht mehr ganz am Anfang ihres Wachstums stehen. Wenn eine Firma an der Nasdaq Stockholm an die Börse geht und hier ihre Wachstums-Story beginnt, bieten wir dann natürlich zum passenden Zeitpunkt schnell und einfach den Zugang zum US-amerikanischen Markt über die Nasdaq New York.

Welche Erwartungen haben Sie für das kommende Jahr?

Eigentlich versuche ich immer, Erwartungen gering zu halten, aber für das kommende Jahr ist das wirklich schwierig – die Erwartungshaltung ist immens. Ich prognostiziere für 2021 ein sehr starkes IPO-Jahr mit vielen internationalen Börsengängen. Und die Nasdaq Stockholm wird wieder der aktivste Markt für kleine und mittlere Unternehmen in Europa sein.

Und welches gehypte Unicorn wagt 2021 den Mega-IPO?

Nach dem Listing von Airbnb ist es schwer, sich neue Superlative vorzustellen. Aber es gibt zahlreiche europäische Unternehmen aus dem Technologiesektor, die 2021 ein sehr erfolgreiches IPO in den USA hinlegen könnten.

Welches Ziel verfolgen Sie an der Nasdaq Stockholm für 2021?

Wir machen uns gezielt auf die Suche nach den Juwelen unter den kleinen und mittleren Unternehmen; nach denjenigen, die das Zeug zur nächsten großen Erfolgsgeschichte haben. Es ist immer wieder eine Freude, diese Firmen zu begleiten und mit anzusehen, wie sie wachsen und sich zu Global Playern entwickeln. Außerdem wollen wir 2021 verstärkt in Deutschland aktiv werden, um interessante deutsche Unternehmen für die Stockholmer Börse ausfindig zu machen. Spätestens nach dem Ende der Coronapandemie planen wir ganz gezielt durch Workshops und Seminare an Unternehmen aus Deutschland heranzutreten, für die ein Listing an der Nasdaq Stockholm attraktiv sein könnte.

Herr Kostyál, vielen Dank für das Gespräch.

Autor/Autorin

GoingPublic Redaktion / iab