Vor einem Jahr ist durch die Auftrennung von Abbott ein neues eigenständiges Biopharma-Unternehmen entstanden: AbbVie. Mit dem GoingPublic Magazin sprach Alexander Würfel über den Standort Deutschland, Forschungskooperationen und die Patientenversorgung der Zukunft.

GoingPublic: Herr Würfel, wie lässt sich das Geschäftsmodell von AbbVie beschreiben, das aus dem Spin-off von Abbott hervorgegangen ist?
Würfel: AbbVie ist ein globales, forschendes Biopharma-Unternehmen, das 2013 aus der Aufteilung von Abbott Laboratories entstanden ist. Wir blicken auf eine lange Tradition zurück und nutzen heute mehr als 125 Jahre Erfahrung in der Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln und verbinden dies mit der Dynamik und Fokussierung eines Biotech-Unternehmens. In Deutschland sind wir mit 2.400 Mitarbeitern an unserem Hauptsitz in Wiesbaden, an unserem Forschungs- und Produktionsstandort in Ludwigshafen sowie unserer Hauptstadtrepräsentanz in Berlin vertreten.

GoingPublic: In welchen Therapiegebieten ist AbbVie Deutschland tätig?
Würfel: In Deutschland sind wir auf folgenden Therapiegebieten aktiv: rheumatische Erkrankungen, Schuppenflechte, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, HIV/AIDS, RSV-Infektion bei Frühgeborenen, Parkinson und chronische Nierenerkrankungen. Unsere Medikamente werden in 170 Ländern vertrieben. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Gesundheit und Lebensqualität von Patienten zu verbessern. Dies erreichen wir durch innovative Spezialmedikamente und Biologika, zielgerichtete Forschung und Initiativen zur Verbesserung der Patientenversorgung.

AbbVie Standort in Wiesbaden. Quelle: AbbVie
AbbVie Standort in Wiesbaden. Quelle: AbbVie

GoingPublic: Wie hat sich AbbVie als eigenständiges Unternehmen am Markt entwickelt und wie wird sich das Marktumfeld entwickeln?
Würfel: 2013 betrug der Jahresumsatz von AbbVie weltweit 18,79 Mrd. USD und der Gewinn vor Steuern 5,3 Mrd. USD. So forscht AbbVie Deutschland beispielsweise an unterschiedlichen Behandlungsregimen für Patienten mit Hepatitis C vom Genotyp 1, die in Europa und den USA am weitesten verbreitete Form von Hepatitis C. Voraussichtlich wird eine neue Behandlungsoption von AbbVie ab dem ersten Quartal 2015 in der Europäischen Union zur Verfügung stehen.

GoingPublic: Welchen Stellenwert nimmt Ihr F+E-Standort Ludwigshafen ein?
Würfel: Ludwigshafen ist der zweitgrößte Forschungsstandort von AbbVie und ein Center of Excellence. Dort arbeiten rund 1.900 Mitarbeiter, davon 900 Forscher. Hier können alle Schritte der Arzneimittelentwicklung und -produktion durchgeführt werden – von der frühen Suchforschung über die Entwicklung und die Marktzulassung hin zur Produktion und Verpackung. Somit leistet der Standort einen wesentlichen Beitrag für zahlreiche globale Forschungs- und Entwicklungsprojekte auch im Bereich der Biologika.

GoingPublic: Welche Rolle spielen Kooperationen in der Forschung bei AbbVie?
Würfel: AbbVie Deutschland kooperiert erfolgreich mit anderen Unternehmen, Universitäten und Kompetenzzentren. Gemeinsam suchen wir nach innovativen Tools, Methoden und Technologieplattformen für Forschung und Entwicklung. Von Bedeutung ist hierbei AbbVie Deutschlands Mitgliedschaft im BioRN Network e.V., in dem sich mehr als 100 starke Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Bereich zellbasierte und molekulare Medizin engagieren. Auch die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen spielt für unsere Arbeit eine zentrale Rolle. Wir nutzen externe und interne Netzwerke gleichermaßen, beispielsweise innerhalb unseres AbbVie Innovation Lab 2014, bei dem crossfunktionale Teams aus 25 AbbVie-Mitarbeitern und externen Trainern fünf Tage lang „quer gedacht“ haben. Am Ende brachte der Prozess drei vielversprechende Ideen hervor. Das war ein unglaublich spannender Prozess für uns, da dies gelebte Innovation ist.

GoingPublic: Wie sieht AbbVie die Versorgung des einzelnen Patienten in Zukunft?
Würfel: Wir bei AbbVie verstehen uns nicht nur als „Pillenlieferant“. Wir sind überzeugt, dass in Zukunft ein integrierter Versorgungsansatz, bei dem Kassen, Leistungserbringer, Industrie, Patienten und Politik sowie weitere Akteure des Gesundheitssystems zusammenarbeiten, zunehmend wichtiger wird. Dies ist jedoch ein langer Weg, der von allen gleichermaßen ein Umdenken erfordert. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels können wir es uns nicht erlauben, auf das Potenzial chronisch und schwer kranker Arbeitnehmer zu verzichten. AbbVie Deutschland arbeitet bereits seit einigen Jahren erfolgreich daran, dass dieses Thema Arbeitsfähigkeit chronisch kranker Menschen in der Öffentlichkeit und der Politik mehr diskutiert wird. So haben wir gemeinsam mit der BKK Pfalz, GE Health Care und dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte die Initiative „Nicht zu ersetzen?! – Fachkräftemangel und chronisch krank im Beruf“ ins Leben gerufen und bisher mehr als 50 Institutionen dahinter vereinen können. Zentraler Ausgangspunkt ist die öffentlich zugängliche Analyse zur Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit vor dem Hintergrund des demografischen Wandels durch den Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen.

GoingPublic: Herr Würfel, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führte Dr. Tilmann Laufs.

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