Die Europäische Gesellschaft (SE-Societas Europaea) ist nach einem beinahe fünfzigjährigen Verhandlungsmarathon in der Europäischen Union endlich etabliert. Zahlreiche namhafte Unternehmen, wie die Allianz SE, die BASF SE und die Porsche Automobil Holding SE, haben diese Rechtsform bereits gewählt.

Obwohl die SE-Verordnung („SE-VO“) als unmittelbar geltendes Recht die Eckpunkte der Europäischen Gesellschaft einerseitz streng und verbindlich regelt, wurde den Mitgliedsstaaten auf der anderen Seite auch ein weiter Gestaltungsspielraum gewährt. Dieser Spielraum war notwendig, weil die einzelnen Mitgliedsstaaten historisch bedingt stark divergierende Gesellschaftsorganisationen zu verzeichnen haben. Die wichtigste Gestaltungsmöglichkeit und zugleich Thema dieses Artikels ist die Wahl des Führungs- und Aufsichtssystems in der Gesellschaft.

Zur Verfügung stehen ein monistisches („one-tier system“) und ein dualistisches („two-tier system“) Führungs- und Aufsichtssystem. Während das dualistische System, bestehend aus Aufsichtsrat und Vorstand, in Deutschland sowie in den Niederlanden, Dänemark und Österreich etabliert ist, kennen beispielsweise Großbritannien und Spanien nur ein monistisches Führungs- und Aufsichtssystem mit lediglich einem Organ, welches für die Geschäftsleitung und auch für deren Aufsicht zuständig ist. Manche Länder lassen die Wahl zwischen beiden Systemen, z.B. Italien.

Das dualistische Führungs- und Aufsichtssystem

Seit dem Jahr 1870 ist für die deutsche Aktiengesellschaft ein dualistisches Führungssystem zwingend vorgeschrieben. Trotz eines erheblichen Widerstands hatte sich Deutschland im Zuge des europäischen Gesetzgebungsverfahrens für die Europäische Gesellschaft mit der dualistischen Organisationsverfassung und zwingend zu beachtenden Mitbestimmungsregelungen durchgesetzt. Aus diesem Grund herrscht ein weitgehender Gleichlauf der Artikel 39 ff. SEVO mit dem Aktiengesetz, die dort verankerten Merkmale der Vorstands- und Aufsichtsratsstruktur sind in der Europäischen Gesellschaft überwiegend vertreten.

Das Leitungsorgan der Europäischen Gesellschaft mit dualistischem System ist der Vorstand, welcher die Geschäfte grundsätzlich in eigener Verantwortung – weisungsfrei – führt; für bestimmte in der Satzung geregelte Maßnahmen muss er zwingend die Zustimmung des Aufsichtsorgans einholen. Das Leitungsorgan wird bestellt und abberufen durch das Aufsichtsorgan, den Aufsichtsrat. Eine Vereinigung beider Ämter ist hierbei nicht möglich.

Das Aufsichtsorgan hingegen wird von der Hauptversammlung bestellt, die in diesem Zusammenhang zwingend die Regelungen zur Mitbestimmung berücksichtigen muss. Aufgabe des Aufsichtsorgans ist die Überwachung der Geschäftsführung durch das Leitungsorgan; eine Möglichkeit, die Geschäfte selbst zu führen, besteht nicht. Zur Erfüllung seiner Verpflichtungen hat das Aufsichtsorgan einen Anspruch auf regelmäßige Unterrichtung über den Geschäftsgang sowie die Entwicklung der Europäischen Gesellschaft.

Im Vergleich zum deutschen Aktiengesetz gibt es bei der Europäischen Gesellschaft Abweichungen bei der Amtszeit der Organmitglieder, der Zahl der Organmitglieder und der Zusammensetzung des Aufsichtsrats.

Das monistische Führungs- und Aufsichtssystem

Im Gegensatz zum dualistischen System führt das monistische Führungs- und Aufsichtssystem Leitung und Überwachung der Gesellschaft in einem einzigen Organ zusammen. Dieses Organ wird als Verwaltungsrat oder Board bezeichnet.

Der Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit berät die Gesellschaft und legt die Grundlinien ihrer Tätigkeit fest. Zur Bewältigung seiner Aufgabe kann er Ausschüsse bilden und wählt in der Regel geschäftsführende Direktoren, die dann die Geschäfte der Europäischen Gesellschaft führen und ihre alleinigen organschaftlichen Vertreter sind. Im Gegensatz zum Vorstand stellen sie kein eigenständiges und unabhängiges Organ dar; die geschäftsführenden Direktoren sind vielmehr weisungsabhängig und können grundsätzlich jederzeit ohne Begründung wieder abberufen werden. Damit ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zum weisungsfreien Vorstand im dualistischen System.

Die Aufgabe der Überwachung wird in diesem Fall häufig von den nicht-geschäftsführenden Mitgliedern des Verwaltungsrats wahrgenommen, so dass eine indirekte Trennung von Führung und Aufsicht letztlich gewährleistet ist. Im Gegensatz zum dualistischen Führungs- und Aufsichtssystem erfolgt aber keine Übertragung der Aufgaben auf zwei personell und funktionell getrennte Organe.

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