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Das Jahr 2020 möchten die meisten schnellstmöglich aus der Erinnerung tilgen – nicht nur wegen der gesellschaftlichen und privaten Auswirkungen der Corona-Pandemie, sondern auch wegen ihrer finanziellen Folgen: Weltwirtschaft und Kapitalmärkte sind so massiv eingebrochen wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das Virus hat Anleger hart getroffen. Umso besser, dass der Jahreswechsel ansteht – und es Aussicht auf Besserung gibt. Die Deutsche Bank analysiert Chancen und Risiken für 2021.

Wie sich die Wirtschaft im kommenden Jahr entwickelt, hängt nach Ansicht der Kapitalmarktexperten der Deutschen Bank in hohem Maß davon ab, wie die Corona-Pandemie weiter verläuft. „Wir sehen aktuell mehr Chancen als Risiken“, betont Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank anlässlich der Vorstellung des Kapitalmarktberichts 2021. Nach dem Winterhalbjahr, so die Prognose, dürfte sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzen. Dennoch sind laut Deutscher Bank die Risiken nicht gebannt. Es gelte, diese einzukalkulieren – vor allem wegen der noch immer steigenden Infektionszahlen und der damit verbundenen Einschränkungen in vielen Ländern.

Ratlosigkeit an der Wall Street?

Aber selbst wenn diese Einschränkungen des öffentlichen Lebens auch in den kommenden Monaten andauern, dürften sie nach Einschätzung der Experten keinen so starken Wirtschaftseinbruch verursachen, wie dies im Frühjahr 2020 der Fall war. „Die Weltwirtschaft erlebt derzeit den tiefsten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg, aber der Ausblick auf 2021/2022 hellt sich auf“, erklärt Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research. Politische Kapriolen und Veränderungen hätten allerdings unter Umständen das Zeug dazu, die optimistische Prognose noch einmal ein wenig nach unten zu korrigieren: Zum Beispiel ist die Höhe des erwarteten Konjunkturpakets in den USA noch offen.

Fest steht, dass die Corona-Pandemie die Wirtschaft hart getroffen hat. Das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte laut Schneider im laufenden Jahr um 3,5 Prozent schrumpfen. 2021 wendet sich das Blatt: Die Deutsche Bank erwartet ein Wachstum von 5,9 Prozent. Das wäre die stärkste Gegenbewegung seit Jahrzehnten. In der Eurozone liegt das erwartete Minus bei 7,4 Prozent, das BIP dürfte 2021 dann um 5,6 Prozent klettern. Deutschland kommt vergleichsweise etwas besser durch die Krise: um 5,5 Prozent dürfte das BIP zurückgehen, im kommenden Jahr erwartet Schneider bereits wieder ein Plus von 4,5 Prozent – das entspräche dem stärksten Wachstum seit der Wiedervereinigung. Wirtschaftlich am besten meistert China die Pandemie. Im laufenden Jahr weist die Volksrepublik ein Plus von 2,2 Prozent aus, im kommenden Jahr rechnet die Deutsche Bank mit 9,5 Prozent Wachstum. „Chinas Wirtschaft hat die V-förmige Erholung zur Jahresmitte 2020 weitgehend abgeschlossen. Die chinesische Wirtschaft brummt und davon profitiert spürbar auch die exportorientierte deutsche Industrie“, sagt Schneider.

Interessant für Investoren ist außerdem die Entwicklung in den USA: Joe Biden übernimmt im Januar die Amtsgeschäfte – er wird nach Meinung von Schneider den Druck auf China zwar beibehalten, „dabei aber weniger konfrontativ agieren und stattdessen multilaterale Ansätze fahren“. Im Außenhandel der USA sei daher mehr Berechenbarkeit zu erwarten. In Konsequenz sei auch eine Entschärfung des Handelskonflikts mit der Europäischen Union zu erwarten. Der US-Kongress bleibt gespalten, daher gehen die Experten davon aus, dass ein „Biden light“-Programm wartet. Große, transformative Programme der Demokraten werden aller Voraussicht nach nicht umgesetzt, das werden die Republikaner wohl zu verhindern wissen. Die Zerschlagung der Tech-Giganten oder ein Fiskalprogramm über 2 Mrd. USD oder mehr stehen nicht ins Haus.

Eine Inflationsgefahr sehen die Experten noch nicht. Notenbanken haben eine nochmalige Ausweitung der expansiven Geldpolitik in Aussicht gestellt – Anleger sorgen sich daher zunehmend, dass es zu einer deutlichen Trendwende bei der Inflation kommt. Schneider: „Für 2021 ist das aber noch kein Thema.“

In diesem Umfeld gilt es, sich bestmöglich zu positionieren. „Für Anleger wird 2021 ein Jahr mit Chancen, die gesucht und gefunden werden müssen“, sagt Stephan. Turbulenzen erwartet der Anlagestratege vor allem an den Rentenmärkten. „In den vergangenen beiden Jahren ist das Geld vor allem in Anleihen geflossen und raus aus Aktien.“ Setze jetzt mit der wirtschaftlichen Erholung eine Normalisierung ein und Investoren schichteten wieder um, könnten die Anleihekurse nach Stephans Meinung kurzfristig stärker nachgeben und deren Renditen dementsprechend steigen.

Chancen finden Anleger denn auch vor allem an den Aktienmärkten, so die Deutsche Bank. Die Erwartungen der Unternehmensgewinne haben sich für zahlreiche Firmen stabilisiert, dürften sich für 2021 sogar positiver entwickeln, erklärt Stephan. Werte, die heuer besonders gelitten haben, werden sich seiner Ansicht nach besonders stark erholen: preiswerte zyklische Aktien der Branchen Tourismus, Industrie, Automobile sowie Metall- und Bergbau. Sie profitieren am krassesten von der zu erwartenden Konjunkturaufhellung. „Die Verlierer der Krise werden aufholen. Die Bewertungsunterschiede zwischen Wachstumstiteln und Value-Aktien sind zu groß geworden, um sie zu ignorieren.“ Weitere Chancen sieht Stephan wenig überraschend bei Gesundheitsaktien. Auch bei Technologiewerten stimme der langfristige Trend, „kurzfristig könnte es aber aufgrund der hohen Bewertungen sein, dass sie sich in den kommenden Monaten schlechter entwickeln als die Titel anderer Branchen“. Das mache Europa als Anlageregion interessanter als die USA, wo IT- und Internetwerte rund 40 Prozent des Aktienmarktes ausmachen.

Frauen investieren
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Es wartet laut Stephan eine weitere Chance auf Anleger: Nachhaltigkeit. Mit ESG-Investitionen lasse sich Geld verdienen, betont der Anlagestratege. Besonders deutsche Industrieunternehmen seien in diesem Bereich stark. „Anleger sollten das Thema nicht außer Acht lassen, auch um ein besseres Chance-Risiko-Profil zu erzielen und damit die Risiken im Portfolio breiter zu streuen.“

Insgesamt, da ist sich die Deutsche Bank sicher, ist 2021 ein chancenreiches Jahr. Impfstoff-Entwickler dürften am Aktienmarkt weiter gute Nachrichten bringen und für Rückenwind sorgen. Stephan: „Die Börsen dürften das honorieren und auf eine beschleunigte wirtschaftliche Erholung setzen.“

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GoingPublic Redaktion / iab