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Die Deutschen entdecken das Aktiensparen – laut Zahlen des Deutschen Aktieninstituts haben 2020 2,7 Millionen mehr Menschen in Aktien, Aktienfonds oder aktienbasierte ETF investiert. Ein Wermutstropfen aber bleibt: nur rund 700.000 dieser neuen Anleger sind Frauen. Noch immer sind Finanzen, Kapitalmarkt und Altersvorsorge Themen, die Frauen zu wenig erreichen. Woran liegt das und wie lässt sich gegenwirken?

GoingPublic: Frau Schäfer, Frauen sind stärker armutsgefährdet als Männer – das ist durch zahlreiche Studien belegt. Beschäftigen sie sich nicht ausreichend mit dem Thema Finanzen?

Marielle Schäfer: Frauen beschäftigen sich zu wenig mit Finanzen, ja. Das hat aber Gründe: Banken und Berater verkaufen das Thema zu männlich, es wird nicht attraktiv gemacht.

Herr Braun, wie bewerten Sie die Ansprache von Frauen durch Banken und Berater?

Alexander Braun: als mangelhaft. Die Beratung ist meist mit Männern besetzt, ich kenne genug Beispiele, die belegen, dass ein Gespräch oft einseitig geführt wird. Es reicht schon, dass der Berater sich einem Paar gegenübersieht und nach dem Termin nur dem Mann ein Angebot zusendet. Frauen nehmen die Ansprache zurecht oft als herablassend wahr.

Dabei sind sie die besseren Anleger: Zum Beispiel die ING Privatanlegeranalyse zeigt für 2019, dass weibliche Privatanleger mit durchschnittlich 24,11% Rendite erfolgreicher als männliche mit 23,5% waren. Wie können Berater Frauen öfter für die Anlage am Kapitalmarkt begeistern?

Marielle Schäfer, Capco

Schäfer: Ein guter Anfang wäre eine Umgestaltung der Werbeanzeigen, die heute meist hellhäutige Männer zeigen. Auch eine inklusivere Sprache könnte ein hilfreicher Ansatz sein. Hinsichtlich der Farben und Formen sollte man die Kampagnen anpassen – wärmere Farben, weniger Ecken und Kanten.

Ein bisschen Pastell und schon rennen die Frauen den Banken die Türen ein – das klingt etwas zu einfach.

Schäfer: Natürlich müssen auch die Beratungsgespräche besser werden: Legt man einer Frau einfach Charts und Zahlenkolonnen vor, wird ihr das nicht reichen. Man muss sie bei ihrem Anlageziel abholen, bei der Frage, wofür sie sparen möchte. Frauen wollen das Produkt kennenlernen und verstehen. Sie wollen abschätzen können, was sich damit erreichen lässt.

Braun: Die Finanzberatung muss ganz einfach ihre Vorurteile gegenüber Frauen hinterfragen: Entgegen des weit verbreiteten Vorurteils sind Frauen im Bereich Finanzen keineswegs emotionaler – Männer entscheiden vielmehr öfter aus dem Bauch heraus. Und am Ende erzielen die Frauen eben bessere Renditen. Diese Tatsache muss die Beratung widerspiegeln. Die Anbieter selbst müssen weiblicher werden, mehr Frauen hinter den Schreibtisch bringen.

Gibt es überhaupt ausreichend Frauen, die hinter dem Schreibtisch Platz nehmen wollten?

Alexander Braun, Capco

Braun: Die Führungsebenen von Banken sind überwiegend männlich besetzt. Häufig hat sich hier noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt, dass Frauen als Zielgruppe auch besser von Frauen in der Beratung abgeholt werden können. Das könnte Berührungsängste im Umgang mit Finanzen und Börse senken. Dass Frauen hier schlicht fehlen, liegt aber weniger an den Frauen und mehr an den Banken: Das wird sich ändern. Von Frauen gegründete und geleitete Fintechs drängen in den Markt. Finanzblogs wie Madame Moneypenny sind sehr erfolgreich. Die Nachfrage steigt – und wenn die Banken nicht abgehängt werden wollen, müssen sie auf den Wandel reagieren.

Was kann ein Berater Frauen sagen, die mit geringem Einkommen argumentieren – nach dem Motto: Da lohnt sich Anlegen ohnehin nicht.

Schäfer: Also in meiner Beziehung verdiene ich mehr. Es ist zu pauschal formuliert, dass Frauen oft ein geringes Einkommen haben. Bei vielen ist es lediglich mangelnde Finanzbildung, die sie in eine prekäre Situation bringt. Und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen tun ein Übriges: Der Gender Pay Gap zwischen den Geschlechtern liegt eigentlich bei nur 2%. Erst wegen Elternzeit, Teilzeitarbeit, und allem, was mit dem Großziehen von Kindern einhergeht, wächst der Gap auf 18% an. Frauen hätte wohl höheres Einkommen, wäre sie nicht noch zu oft allein für die Kinder verantwortlich.

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Dass es hier Nachholbedarf gibt, ist unbestritten. Aber zurück zur Frage: Die geschiedene Mutter, die nur in Teilzeit arbeitet, sitzt dem Berater gegenüber. Sie kann nur Kleinbeträge anlegen.

Schäfer: Auch in diesem Fall ist es besser, mit wenig Geld anzufangen und Erfahrungen zu sammeln. Auch geringe Beträge bringen Rendite. Vor allem bringen sie aber einen Abbau der Hürden im Kopf: Die Frau sammelt Erfahrungen und tut sich viel leichter, die Beträge zu erhöhen, wenn das irgendwann möglich ist, als dann mit keinerlei Vorerfahrungen zu starten.