Die Schulden- und Staatskrise in Griechenland nimmt nach der Parlamentswahl immer dramatischere Züge an. Viele Anleger haben nach dem im März dieses Jahres vereinbarten Schuldenschnitt umfassende Wertberichtigungen vorgenommen. Nicht betroffen vom Schuldenschnitt waren Anleger, die sich bei der Kapitalanlage in Staatsanleihen beispielsweise an oekom-Länderratings orientiert haben. Griechenland hatte hier bereits schlechtere Bewertungen erhalten, als konventionelle Ratingagenturen hier noch Noten im A-Bereich vergaben. Bieten nachhaltigkeitsbezogene Länderratings also den besseren Schutz vor entsprechenden Risiken?
Nachhaltigkeitsorientierte Anleger sind davon überzeugt: Nach ihrer Einschätzung spiegeln klassische Finanzratings die Fähigkeit der Staaten, ihren Verpflichtungen aus der Emission von Staatsanleihen nachzukommen, nur unzureichend wider. Die zusätzliche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsratings, die die sozialen und ökologischen Verhältnisse in den Staaten bewerten, ermöglicht demnach eine fundiertere Einschätzung der Bonität von Staaten.
Zukunftsfähigkeit sichert die Bonität
Im Vordergrund steht dabei zum einen die Frage, inwiefern die Staaten das am Kapitalmarkt aufgenommene Geld für Investitionen in die Zukunftsfähigkeit einsetzen – oder eben für den Konsum. Staaten, die in Infrastruktur und Bildung investieren, die die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien fördern, z.B. im Bereich erneuerbarer Energien oder der Energieeffizienz, die ihre natürlichen Ressourcen schonen und den Bürgern Zugang zu modernen Informations- und Kommunikationsmedien verschaffen, legen damit den Grundstein sowohl für eine positive wirtschaftliche Entwicklung des Landes als auch für gute Lebensbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten. Werden dagegen ein aufgeblähter Beamtenapparat oder eine überdimensionierte Armee finanziert, gefährdet dies die Bedienung der ausgegebenen Anleihen. Griechenland ist hier ein mahnendes Beispiel
Von hoher Bedeutung sind zum anderen die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Eine pluralistische Gesellschaft, in der die Bürger- und Menschenrechte umfassend gewährleistet sind, in der es Presse- und Meinungsfreiheit gibt und in der alle Bürger den Zugang zu staatlichen Leistungen unabhängig von ihrer Fähigkeit haben, Bestechungsgelder zu zahlen, wird in Krisensituationen andere Mechanismen der Konfliktlösung finden als Staaten mit eingeschränkten Rechten. Auch hier dient Griechenland leider als Anschauungsbeispiel.
Abb 1: Beispiele für Investitionen in die nachhaltige Leistungsfähigkeit | ||||
oekom Status | oekom Status | |||
„Prime“ | „Not Prime“ | |||
Indikator | Schweden | Deutschland | Spanien | Griechenland |
Öffentliche Gesamtausgaben | 7,5 | 4,7 | 4,3 | 4,2 |
für Bildung (in % des BIP) | ||||
Anteil der Haushalte mit | 77 | 67 | 39 | 23 |
Internetzugang (in %) | ||||
Anteil der Gesamtausgaben | 3,9 | 2,5 | 1,1 | 0,6 |
für F&E (in % des BIP) | ||||
Quelle: oekom research (2012); Europäische Kommission (2009) |
Ausschlusskriterien bei Nicht-Werten
Nachhaltigkeitsorientierten Investoren ist darüber hinaus wichtig, dass sie auch bei der Kapitalanlage Werte berücksichtigen, für die sie persönlich bzw. ihre Institutionen stehen. Bei diesen „prinzipiengeleiteten“ Investoren, häufig Kirchen oder Stiftungen, haben gerade Ausschlusskriterien eine große Bedeutung. Hier geht es beispielsweise darum, ob ein Staat die Todesstrafe anwendet, Menschenrechte systematisch missachtet oder sich nicht als verantwortungsvolles Mitglied der Völkergemeinschaft verhält, zum Beispiel beim globalen Klimaschutz. Alle drei genannten Aspekte treffen beispielsweise auf die USA zu, um deren Staatsanleihen daher viele nachhaltigkeitsorientierte Anleger einen Bogen machen.
Skandinavische Länder machen vor, wie es geht
Die Defizite bei den Ausschlusskriterien sind nur ein Grund dafür, warum die USA im aktuellen Länderrating von oekom research nur Platz 44 unter insgesamt 51 analysierten Staaten erreichen. Auch beim Energie- und Ressourcenverbrauch gibt es massive Defizite. Viele der Hoffnungen, die mit dem Amtsantritt von Barack Obama verbunden waren, haben sich nicht erfüllt. Die weiter wachsenden Einkommensunterschiede und das Abrutschen der Mittelschicht führen zu sozialen Spannungen, die unter anderem die Proteste der Occupy-Bewegung ausgelöst haben. Deutlich besser machen es die skandinavischen Staaten, die die vorderen Plätze im Nachhaltigkeitsrating belegen. Norwegen (Platz 1) punktet im Sozialbereich beispielsweise durch seine guten Arbeitsbedingungen, seine hohen Investitionen in die Bildung und sein Gesundheitssystem. Im Umweltbereich überzeugt Norwegen mit seinem vergleichsweise verantwortlichen Umgang mit Rohstoffen und daraus generierten Erträgen: So wird ein Teil der Einnahmen für nachfolgende Generationen in einem Fonds angelegt, der wiederum mit strengen Nachhaltigkeitskriterien arbeitet.
Abb 2: Ausgewählte Platzierungen im oekom-Länderrating | ||
Rang | Land | |
1 | Norwegen | |
2 | Schweden | |
3 | Dänemark | |
4 | Finnland | |
5 | Österreich | |
6 | Deutschland | |
10 | Schweiz | |
15 | Europäische Union | |
21 | Frankreich | |
24 | Spanien | |
27 | Italien | |
44 | USA | |
52 | Indien | |
Stand: 31.12.2011 | ||
Quelle: oekom research AG (2012) |
Österreich liegt auf Rang 5 einen Platz vor Deutschland. Frankreich kommt auf Platz 21 und erreicht damit als letztes Land gerade noch den Prime Status gemäß den von uns definierten Anforderungen an die Nachhaltigkeit. Unter den süd- und nordeuropäischen Krisenstaaten, häufig etwas despektierlich „PIIGS“ genannt, erreicht dies einzig Irland.
Fazit
Lange Zeit galten Staatsanleihen als quasi „risikofreie“ Anlage – eine Einschätzung, die viele Anleger auf der Basis schmerzhafter Erfahrungen revidieren mussten. Staaten, denen wie Deutschland nach wie vor eine hohe Bonität bescheinigt wird, zahlen derzeit so niedrige Zinsen, dass beispielsweise die Arbeit von Stiftungen aus den Zinseinnahmen kaum noch bewerkstelligt werden kann. Mehr denn je kommt es daher auf eine Balance zwischen Rendite und Risiko an. Die konsequente und umfassende Analyse der Risiken, die mit dem Kauf von Staatsanleihen verbunden sind, hat daher heute hohe Bedeutung. Ratings, die den sozialen und umweltbezogenen Zustand der Staaten messen und damit deren nachhaltige Leistungsfähigkeit bewerten, können einen wesentlichen Beitrag leisten.