Prof. Dr. Christoph Kaserer

In der Unternehmensfinanzierung findet ein fundamentaler Wandel statt. Die Finanzmarktkrise hat die Risikowahrnehmung vieler Investoren spürbar verändert. In Verbindung mit grundlegenden regulatorischen Veränderungen wird sich der Trend zu einer vermehrten kapitalmarktbasierten Finanzierung verstärken. Für die Eigenkapitalfinanzierung ist das tendenziell eine gute Nachricht, für die Fremdkapitalfinanzierung sind durchaus Vorbehalte angebracht. Gerade mittelständische Unternehmen könnten die Verlierer dieser Entwicklung sein.

Die Unternehmensfinanzierung ist im Wandel. Obwohl dieser Satz nur eine Trivialität ausdrückt, passt er hervorragend zu der Entwicklung, die wir auf dem Markt für Unternehmensfinanzierung seit einigen Jahren beobachten können. Getrieben wird diese Entwicklung durch zwei ineinandergreifende Faktoren, die ich im Folgenden kurz beleuchten möchte.

Spuren der Finanzmarktregulierung
Zunächst muss man erwähnen, dass die regulatorischen Veränderungen im Bereich der Finanzmarktregulierung ohne jeden Zweifel tiefe Spuren auf dem Markt für Unternehmensfinanzierung hinterlassen werden. So kommen erstens unterschiedliche Studien zu dem Ergebnis, dass die Refinanzierungskosten durch die Erhöhung der Mindestkernkapitalquoten im Rahmen der Umsetzung von Basel III um 10 bis 50 Basispunkte steigen werden. Von einer solchen Erhöhung ist schon allein wegen steuerlicher Effekte auszugehen. Das deutliche Anziehen der Regulierungsschraube wird die Wettbewerbsintensität im Kreditsektor weiter reduzieren. Eine Entwicklung, die übrigens nicht erst seit der Einführung von Basel II oder der Diskussion um Basel III zu beobachten ist. Die jetzt schon spürbare Marktbereinigung wird es den verbleibenden Banken leichter machen, die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben. Es spricht somit einiges dafür, dass ein Großteil des durch regulatorische Maßnahmen verursachten Anstiegs der Refinanzierungskosten an die Kreditnehmer weitergereicht werden wird.

Zweitens kann man erwarten, dass sich die Refinanzierungsstrukturen der Banken verändern werden. Auch dies hat zunächst regulatorische Gründe. Gemäß Basel III soll das Ausmaß der Fristentransformation deutlich reduziert werden, insbesondere soweit es durch kurzfristige Refinanzierung am Interbankenmarkt und bei institutionellen Investoren erfolgt. Obwohl dieser Vorschlag im Rahmen der Umsetzung von Basel III in der EU zunächst nicht übernommen wurde, ist davon auszugehen, dass bis spätestens 2018 eine einschlägige Regulierung kommen wird. Unabhängig von regulatorischen Vorschriften haben die Banken nach den Erfahrungen aus der Krise versucht, ihre Refinanzierung auf ein stabileres Fundament zu stellen. Dabei verfolgen sie grundsätzlich zwei Strategien. Zum einen können sie versuchen, den Anteil der Einlagen von Retailkunden zu erhöhen. Der dadurch entstehende Wettbewerbsdruck wird unweigerlich zu höheren Einlagenzinsen führen. Es gibt deutliche Hinweise, dass diese Entwicklung schon in vollem Gange ist.

Zum anderen können die Banken mittel- oder langfristige Schuldverschreibungen begeben. Da das Volumen an besicherten Schuldverschreibungen (z.B. Pfandbriefe) nur in geringem Umfang erhöht werden kann, kommt es darauf an, ob der Markt unbesicherte Bankschuldverschreibungen in größerem Umfang absorbieren kann. Dies ist derzeit definitiv nicht der Fall. Der Nettoabsatz solcher Bankschuldverschreibungen war in den letzten Jahren meilenweit entfernt von jenen Volumina, die man bräuchte, um den durch die Vorschläge des Basler Ausschusses ausgelösten Refinanzierungsbedarf zu decken. Ohnehin ziehen sich institutionelle Investoren wegen der Erfahrungen nach der Finanzmarktkrise vermehrt aus dem Markt für unbesicherte Bankschuldverschreibungen zurück. Und die neuen versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften nach Solvency II werden dieses Verhalten noch weiter begünstigen.

Nicht zuletzt deshalb hat der Basler Ausschuss zu Beginn dieses Jahres eine Veränderung an seinen Vorschlägen zur Liquiditätshaltung der Banken vorgenommen. Doch auch in der derzeitigen Form werden die beabsichtigten Regeln zur Liquiditätshaltung und Fristentransformation die Banken zu einer Verkürzung der Laufzeitenstruktur auf der Aktivseite zwingen. Dies wird in der Tendenz dazu führen, dass sich insbesondere langfristige Unternehmenskredite verteuern werden.

Finanzmarkttiefe nimmt zu
Diese durch die Finanzmarktkrise ausgelöste Entwicklung wird zudem durch den langfristigen Trend zu größer werdenden Kapitalmärkten überlagert. Dazu sein zunächst darauf hingewiesen, dass ungeachtet der Finanzmarktkrise weltweit die Finanzmarkttiefe kräftig wächst. Unter Finanzmarkttiefe versteht man die Größe des Finanzmarktes relativ zum BIP eines Landes. Dabei wird die Größe des Finanzmarktes gemessen als Nominalwert der ausstehenden Kredite zuzüglich dem Marktwert aller ausstehenden Unternehmensanleihen und Aktien. Weltweit betrachtet lag dieser Wert im Jahr 1990 bei rund 260% des weltweiten BIP. Bis zum Jahr 2011 stieg er auf über 370%. Dabei findet sich dieser Wachstumstrend in nahezu allen Ländern der Welt. Zwar zeigt sich, dass die Finanzmärkte in all ihrer Breite wachsen, jedoch ist das Wachstum in den Aktien- und Anleihemärkten überdurchschnittlich hoch. Und dies war schon vor der Finanzmarktkrise der Fall, so dass man davon ausgehen muss, dass es auch fundamentale ökonomische Faktoren gibt, die zu größer werdenden Kapitalmärkten führen. Die Finanzmarktkrise hat diesen Trend letztlich nur verstärkt.

1
2