Dr. Andreas Meyer-Landrut, Partner, DLA Piper

Die Rechtsform der Aktiengesellschaft eignet sich für die Aufnahme von Eigenkapital über den öffentlichen Kapitalmarkt und auch zur Lösung von Nachfolgeproblemen. Von Familiengesellschaften getragene Unternehmen nähern sich der Rechtsform Aktiengesellschaft jedoch mit erheblichen Vorbehalten, da sie den Verlust der Kontrolle und zugleich damit der für Familiengesellschaften charakteristischen nachhaltigen Unternehmensführung befürchten. Die in der Öffentlichkeit weniger bekannte Rechtsform der KGaA bietet die Möglichkeit, den Zugang zum Kapitalmarkt mit dem Fortbestehen des Primats der Altgesellschafter zu verbinden.

Prominente Beispiele

Es sind offenbar diese Vorteile, die zum Beispiel jüngst die Bertelsmann AG bewogen haben, ihren Formwechsel in eine SE & Co. KGaA bekannt zu geben und auf dieser Grundlage einen Börsengang anzustreben. Tatsächlich gibt es aber bereits jetzt eine ganze Reihe bekannter Gesellschaften, die in der Rechtsform der KGaA erfolgreich am Kapitalmarkt tätig sind. Genannt seien hier Henkel KGaA, Merck KGaA, Fresenius SE & Co. KGaA, Drägerwerk AG & Co. KGaA oder Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA.

Corporate Governance der KGaA

Der entscheidende Unterschied zur Corporate Governance einer „normalen“ Aktiengesellschaft besteht darin, dass das Recht zur alleinigen Geschäftsführung bei dem persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär) liegt und dort satzungsmäßig verankert ist. Weder die Kommanditaktionäre noch der Aufsichtsrat der KGaA können, vorbehaltlich anderweitiger Satzungsregelungen, den Komplementär seines Amtes entheben. Ihm steht zudem nach dem Aktiengesetz ein Vetorecht bei wichtigen Grundlagenbeschlüssen der Hauptversammlung zu (z.B. bei Satzungsänderung, Kapitalerhöhung oder Umwandlung). Dem Aufsichtsrat der KGaA kommen dementsprechend und im Vergleich zum Aufsichtsrat einer „normalen“ Aktiengesellschaft deutlich weniger Rechte und Pflichten zu. Er muss zwar die Geschäftsführung überwachen, ist jedoch nicht für deren Bestellung oder Abberufung zuständig.

Auch ist dem Aufsichtsrat nicht gestattet, einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäftsführung zu erlassen. Mit seiner Entscheidung vom 24. Februar 1997 hat der BGH zudem zugelassen, dass die Rolle des Komplementärs durch eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung übernommen werden kann, wie es z.B. bei der GmbH & Co. KG bekannt ist. Damit können sich die Altgesellschafter unabhängig von dem Anteil der von ihnen gehaltenen Kommanditaktien und ohne die Gefahr einer persönlichen Haftung durch die Gründungssatzung die perpetuierte alleinige Geschäftsführung der KGaA sichern. Dies geht über die aus der normalen Aktiengesellschaft bekannten Mittel zur Sicherung der Familienherrschaft durch Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien oder die Einräumung von satzungsmäßigen Entsendungsrechten einiger Familienmitglieder in den Aufsichtsrat weit hinaus. Gegenüber der normalen Aktiengesellschaft ist die KGaA zudem durch einen ungleich höheren Gestaltungsspielraum ihrer Satzung betreffend ihre Corporate Governance gekennzeichnet. Gemäß § 278 Abs. 2 AktG gelten insoweit die Regeln über die Kommanditgesellschaft nach dem HGB. Zulässig ist es danach insbesondere, auch weitere Gremien, etwa einen Gesellschafterausschuss, einzurichten und ihnen maßgebliche Befugnisse zuzuweisen.

 

Quelle: DLA Piper

 

Mitbestimmung/Übernahmerecht

Weitere Vorteile ergeben sich bei der Anwendung der Regeln über die unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Zwar gilt die unternehmerische Mitbestimmung uneingeschränkt bei dem Aufsichtsrat einer KGaA, jedoch ist dies aufgrund der eingeschränkten Befugnisse des Aufsichtsrats weniger gravierend. Für eine Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin gilt § 4 MitbestG nicht unmittelbar, wenn auch eine analoge Anwendung streitig ist. Schließlich ist erwähnenswert, dass die KGaA weitgehend übernahmeresistent ist. Zwar gilt das deutsche Übernahmerecht auch für die börsennotierte KGaA, jedoch ermöglicht auch die Kontrolle über die stimmberechtigten Kommanditaktien nicht die Absetzung des Komplementärs oder Einfluss auf die Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs. Die Rechtsform der KGaA bietet damit einen effektiven Übernahmeschutz.

Was sagt der Kapitalmarkt?

Angesichts dieser zahlreichen und offenkundigen Vorteile aus der Sicht der Altgesellschafter/Familie stellt sich die Frage, ob mit der Rechtsform der (Kapitalgesellschaft & Co.) KGaA nicht Bewertungsabschläge aus der Sicht des Kapitalmarkts verbunden sein müssen. Tatsächlich spielt jedoch die hier in der Tat etwas komplexere Rechtsform bei der Investorenentscheidung eine nur untergeordnete Rolle. Diese ist stärker von ökonomischen Kriterien wie Marktstellung, Wachstum, Profitabilität und Produkt beeinflusst. Die mit der KGaA verbundenen geringeren Kontrollrechte der Aktionäre werden aus der Sicht des Kapitalmarkts eher mit den stimmrechtlosen Vorzugsaktien verglichen, deren Nachteile jedoch die besonderen Vorteile der Kontinuität von Gesellschaftern, Management und Strategie gegenüberstehen. Dabei bietet die KGaA gegenüber der Vorzugsaktie eine potenziell höhere Marktkapitalisierung und Liquidität, weil die Aufspaltung in zwei Aktiengattungen vermieden wird. Eine sachgerechte Satzungsgestaltung, die die Corporate Governance der KGaA in einzelnen Punkten derjenigen der börsennotierten Aktiengesellschaft annähert, kann einen Bewertungsabschlag weiter verringern helfen.

 

Autor/Autorin