Bundespräsident Horst Köhler hat sich in einem Interview dazu zu Wort gemeldet. Bei „eklatanten Menschenrechtsverletzungen“ müsse man auch mal vom Ziel eines Wirtschaftsabschlusses Abstand nehmen, forderte das Staatsoberhaupt. Die hehre Meinung in allen Ehren, aber vor dem geistigen Auge sieht man Manager, die in der Verantwortung stehen, geradezu seufzen: Der Mann hat gut reden, er muß am Quartalsende ja keine guten Zahlen vorlegen.

In der Tat ist dem Thema mit Sonntags-Statements nicht beizukommen. Mit China keine Geschäfte zu machen wäre angesichts des größten Zukunftsmarktes der Erde schlicht ökonomischer Selbstmord. Genauso kann es aber keinen Freibrief geben, Menschen in Asien und anderswo in einem Maße auszubeuten, wie es hierzulande seit hundert Jahren überwunden ist. Wirtschaftsembargos sind ein gestriges Mittel, Probleme lösen zu wollen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die kontinuierliche, schrittweise Auflösung inakzeptabler Strukturen der viel smartere Weg zum Erfolg ist. Wirtschaftlicher Erfolg ist bislang noch immer mit dem Aufblühen westlicher Werte wie Demokratie und Selbstbestimmung des Einzelnen einher gegangen.

Es würde nicht nur nichts bringen, wenn Bundeskanzler Schröder publikumswirksam Verbesserungen der Menschrechtssituation in China fordern würde, sondern eher kontraproduktiv wirken. Die Aufgabe liegt vielmehr bei Unternehmen, die zum Beispiel in China oder andernorts produzieren lassen: Kinderarbeit darf nicht akzeptiert werden, vereinbarte Löhne müssen gezahlt werden, Mindestanforderungen an Arbeitssicherheit, Gesundheits- und Mutterschutz etc. eingehalten werden. Es ist nicht verwerflich, in Ländern wie China Geschäfte zu machen, es ist nur verwerflich, Rahmenbedingungen auszunutzen, wenn die Kosten für die Menschen vor Ort unmenschlich sind.

Hier zeigt sich die Würde der Wirtschaft. Der Hinweis, Unternehmen aus anderen Ländern würden sich nicht um Mindestanforderungen scheren, kann keine Entschuldigung sein. Exakt an dieser Linie verläuft die Grenze der Ethik: Es macht keinen Sinn, gewissermaßen fromme Abstinenz mit erhobenem Zeigefinger zu üben. Vielmehr muß jeden Tag aufs Neue auf die Einhaltung vereinbarter  Mindeststandards gepocht werden.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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