Auf der Habenseite steht eine Performance von 58.500 % in 23 Jahren eines aktiven Managements der Berkshire Hathaway-Holding durch Warren Buffett. Auf der anderen dagegen fällt der etwa  40 %ige Wertverlust in den letzten zwölf Monaten auf, der zuletzt des öfteren Zweifel an der Zeitmäßigkeit seiner Strategie aufkommen ließ.

In Warren Buffetts Holding-Depot finden sich seit jeher ausschließlich stockkonservative Werte, die in den Achtzigern und auch Neunzigern eine konstante Ertragssteigerung aufzuweisen hatten, spektakuläre Sprünge blieben freilich aus. Ur-amerikanische Unternehmen wie Coca-Cola, Gillette, Washington Post, American Express und Wells Fargo zählen dabei zu den größten Positionen.

Die ersten drei aber hatten in vergangener Zeit mit schweren Umsatz- und Gewinneinbußen zu kämpfen, die die Holding massiv belasteten und den Kurs von Berkshire Hathaway bröckeln ließen. Da parallel dazu Ende der Neunziger die Technologietitel immer mehr das Rennen machten, sah Warren Buffetts Strategie der konstanten Gewinnsteigerung in den Augen vieler zuletzt etwas angestaubt aus.

Dementsprechend verwunderte es nicht, daß er jüngstens auf Performance-Fragen mehr und mehr säuerlich reagierte und im Gegenzug klarstellte, was er von der New Economy hält: Die neue Internetwelt bringe nicht mehr Wohlstand als etwa eine Kettenbrief-Aktion. Wer früh drin sei, der könne sicherlich auch Geld machen, dagegen würde aber kein neues Geld erschaffen werden. Die derzeitigen Marktbedingungen seien so extrem wie noch nie, allenfalls vergleichbar mit den 20er Jahren.

Sein vorrangiges Ziel, seinen Aktionären eine bessere Performance als der S&P-Index zu bieten, hat zuletzt ebenfalls nicht mehr recht funktioniert und wird in Zukunft möglicherweise auch nicht unbedingt leichter werden. Denn Technologie-Schwergewichte wie America Online, Qualcomm und Yahoo! haben einen guten Teil zum Anstieg des S&P 500 beigesteuert.

Sofern die High Techs nicht vollständig zusammenbrechen werden, muß Warren Buffett in den kommenden Jahren weiteren starken Gegenwind befürchten, der seine konservative Langfriststrategie auf eine harte Bewährungsprobe stellen wird – und wahrscheinlich auch die Geduld seiner Aktionäre.

Bislang hat sich rüstige Senior erfolgreich gegen eine etwas zukunftsorientierte Investmentstrategie zu wehren gewußt. Da er seit jeher klargestellt hat, daß er ausschließlich in Unternehmen investiere, deren Geschäft er auch verstehe, kam letztens immer häufiger die Frage auf, ob das denn tatsächlich auch immer noch so sei. Seine Fixierung auf das problematische Versicherungsgeschäft drückte den Gewinn von Berkshire Hathaway in den letzten beiden Jahren ebenfalls massiv nach unten.

In den vergangenen Monaten haben viele Fondsmanager sowohl des konservativen wie auch des modernen Lagers betont, daß sie die Märkte immer weniger verstehen. Riesige Kursausschläge sind mittlerweile an der Tagesordnung, mit gesundem Menschenverstand konnte man den Börsenbewegungen ohnehin nur selten beikommen. Gut möglich, daß Warren Buffett die Börse besser versteht als viele andere und er derzeit nur eine Schwächephase in seiner langen Erfolgsgeschichte auszusitzen hat – und unangenehme Fragen beantworten muß. Möglich aber auch, daß er die Zeichen der Zeit nicht mehr richtig zu deuten weiß und seinen Zenit bereits überschritten hat. Was vor 20 Jahren vielleicht zeitgemäß war, muß heute nicht mehr so sein.

Ob ihm das leichtfallen wird oder nicht, diese und wahrscheinlich noch viele weitere kritische Fragen wird er in einem Jahr bei der nächsten Hauptversammlung sicherlich beantworten müssen. 

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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