Fleiß, Bescheidenheit und persönliche Verantwortung, das sind herausragende pietistische Tugenden. Mit dieser Dreifaltigkeit haben es Baden und Württemberg geschafft, binnen weniger Generationen vom Armenhaus, aus dem Tausende pro Jahr emigrierten, zum Musterländle zu avancieren. Gewiß: Die Formel Pietismus plus Feinmechanik gleich Wohlstand für alle greift für sich alleine zu kurz. Aber eine Wirtschaft ganz ohne Tugenden der Handelnden hat keine Zukunft.

Von daher überrascht es nicht, daß Baden-Württemberg in seiner Gesamtheit wirtschaftlich besser da steht als der Rest der Republik. Noch immer werden hier von mittelständischen Unternehmerpersönlichkeiten pietistische Tugenden höher gehalten als anderswo. Das eint, nivelliert Gegensätze, die kaum noch ideologisch genannt werden können, und sorgt für Produktivität, die hohe Löhne ermöglicht. Damit kann das SNS-Land („Schaffe, net schwätze“) als Beispiel herhalten.

Leibinger, bekennender Protestant, geht sogar einen Schritt weiter: Mehr Glaube in den Führungsetagen würde dem Standort Deutschland gut tun. „Menschen mit Glauben wirken nachhaltiger. Der Glaube gibt jene Souveränität und Sicherheit im Selbstverständnis, das nicht nur nach dem materiellen Erfolg strebt“. Das sollten sich viele der wahnsinnig smarten, polyglotten Manager hinter die Ohren schreiben. Die Eigenkapitalrendite ist nicht alles. Wann sehen das die Ackermanns in den Chefetagen ein?

Deutschland ist mit der sozialen Marktwirtschaft gut gefahren. Sie wird derzeit gerade von vielen unbescheidenen Konzernlenkern einseitig gekündigt. Das ist nicht im Sinne der Bürger des Landes, ja noch nicht einmal im Sinne der Unternehmen. Ohne Zweifel: Unternehmen müssen Gewinn machen. Aber nicht dadurch, daß der soziale Grundkonsens über Bord geworfen wird im Bestreben, harte Zeiten für Arbeitnehmer für Extra-Gewinne zu nutzen oder zukünftige Gewinne abzusichern. Erfolgreiche Unternehmensführung heißt auch, persönliche Verantwortung für die Arbeitnehmer zu entwickeln. Entwicklungen wie bei Karstadt und Opel bedeuten so gesehen nichts weiter, als daß das Management versagt hat: Betriebswirtschaftlich und moralisch.

 

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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