Die Untersuchungen der US-Börsenaufsicht SEC wiederum bestätigen mehr und mehr, daß zahlreiche Unternehmen jahrelang bilanzieren konnten, wie es ihnen gerade gefiel.

Letzteres ist eines der Themen, die in ihrer ganzen Tragweite noch gar nicht richtig beurteilt werden können. Es scheint offenkundig, daß das Enron-Debakel nur die Spitze eines Eisbergs war, auf den man mehr oder minder durch Zufall stieß. Was Merrill Lynch anbelangt, so könnte es sein, daß sich das Investmenthaus durch das Eingeständnis der offensichtlichen Inkompetenz selbst beerdigt hat, wie ein Anwalt es ausdrückte. Denn jetzt ist mit einer Flut von Sammelklagen zu rechnen – und wenn diese irgendwo Aussicht auf vielstelligen Erfolg haben, dann in den USA. Da inzwischen zahlreiche andere Investmentbanken gleichfalls in den Focus von Staatsanwalt Spitzer gerückt sind, dürfte auch hier gerade erst die Oberfläche von was auch immer angekratzt worden sein.

Interessant ist bei der Auseinandersetzung der ursprüngliche Hintergrund, den man leicht vergißt: Researchberichte. In Börsenkreisen werden sie ohnehin nicht sonderlich ernstgenommen, milde ausgedrückt. Warum also nehmen ausgerechnet Privatanleger die Berichte für bare Münze? Es handelt sich um Research von Angestellten, die ihrem Unternehmen – den Investmenthäusern – mindestens in gleichem Maße (und doch wohl deutlich höher) gegenüber verpflichtet sind wie Privatanlegern. Das mag hart sein, trifft aber den Kern.

eToys hat derweil ein Verfahren gegen Goldman Sachs angestrebt und zwar wegen „schlechter Abwicklung des IPOs“. Angeblich habe GS den Ausgabepreis viel zu niedrig angesetzt, um anschließend mit Trades bei Großkunden weiteren Reibach zu machen. Nicht ganz aus der Welt, wenn man bedenkt, daß die Aktien von eToys an ihrem ersten Handelstag über 300 % nach oben schossen. Natürlich läßt auch der e-Spielwarenspezialist da etwas außer acht: Das Unternehmen ist pleite gegangen, weil das Geschäftsmodell nicht funktioniert hat.

Äußerst fraglich ist doch, ob sich etwas geändert hätte, wenn eToys beim IPO ein paar Millionen mehr eingenommen hätte. Wahrscheinlich hätten sie jedoch das Geld nur noch eine Spur spendabler durch die Finger rieseln lassen. eToys begeht den gleichen Fehler wie die oben angesprochenen Privatanleger. Nämlich davon auszugehen, daß der Underwriter hauptsächlich oder gar ausschließlich gegenüber dem Unternehmen in der Pflicht steht. Das ist auch hier haarscharf an der Realität vorbei.

Dieser Beitrag ist auch im aktuellen GoingPublic Magazin 07/2002 erschienen.

Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin