Jeder kennt die Glaubenssätze, die Ökonomen so gerne predigen. Der Markt reinigt sich selbst, Wettbewerb ist der beste Schiedsrichter, natürliche Auslese und so weiter und so fort. Der Markt hilft sich also selbst auf die Sprünge. Ganz nach Darwins Theorie der Mutatio et Selectio wird unter den Angepaßtesten selektiert. Experimente haben da eher Lotteriecharakter. Vielleicht führt das Auge auf dem Rücken ja zur neuen Überlegenheit, vielleicht aber auch nicht, und dann ist die Innovation so schnell wieder verschwunden, wie sie geschaffen wurde. Das ist Darwin.

Wie kluge Köpfe schon lange erkannt haben, läßt sich Darwins Konzept wunderbar auf den Marktprozeß (eines perfekten Wettbewerbsmarkts) übertragen. Auch dort sorgen Selbstreinigungsprozesse eigentlich dafür, daß am Ende der Beste übrig bleibt. Eigentlich, wohlgemerkt, denn die Märkte sind alles andere als vollkommen. Und aus diesem Grund ist auch das Ergebnis, das sie produzieren, nicht immer das wünschenswerteste. Wie zum Beispiel im deutschen Biotech-Markt.

Deutschland, die Wiege der Schwerindustrie, braucht Biotech, denn Biotech ist Zukunft. Und dennoch: In Deutschland scheint sie keine zu haben. Immer mehr heimische Biotech-Firmen verschwinden. Sei es durch Fusionen oder, wie kürzlich wieder geschehen, durch Insolvenz. BioTissue heißt das jüngste Opfer. Nach überraschend gescheiterten Investorenverhandlungen mußte der Freiburger Gewebespezialist Antrag auf Insolvenz stellen. Der ehemalige Neuer Markt-Wert reiht sich damit gleich hinter Trace Biotech, die nur wenige Tage zuvor den Gang zum Insolvenzrichter antraten.

Wir wollen die Unternehmen nicht in Schutz nehmen. Vielleicht waren sie nicht überlebensfähig, das Geschäftsmodell zu unsicher, die Ziele zu unerreichbar. Vielleicht aber sind es auch die institutionellen Rahmenbedingungen gewesen, Gesetze, Auflagen, Behördenzwänge oder einfach nur die rezessive Konjunktur.

Trotz allem aber läßt sich eines feststellen. Eine derartige Konsolidierung in einem so jungen Markt ist alles andere als das, was man sich für eine zukunftweisende und zukunftssichernde Branche gewünscht hätte. Eingriffe ins Marktgeschehen sind nie zu begrüßen, aber der Kohlepfennig wäre als Biotech-Pfennig sicher besser aufgehoben gewesen.

Innovation ist momentan also gar nicht en vogue. Selbst die Investoren wollen lieber Althergebrachtes, besonders wenn es sich um einen Börsenneuling handelt. Keine rosigen Versprechungen, nicht Biotech oder Cyberspace werden akzeptiert, sondern ordentlicher Gewinn in klassischen Industrien. Diese Stimmung versucht nun Yell für sich auszunutzen. Der größte britische Telefonbuch- und Branchenverzeichnis-Anbieter will an die Börse, und zwar in Rekordzeit. Letzte Woche noch war ein Börsengang als „unwahrscheinlich“ abgetan worden. Nun soll er schon nächste Woche stattfinden. So ändern sich die Zeiten.

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