Die EU-Kommission steht nicht eben im Ruf mangelnden Reformeifers, wenn es darum geht, diese oder jene Richtlinie zum Vogelschutz oder der Größe von Teebeuteln zu formulieren und deren Umsetzung zu fordern. Sehr still ruht der See hingegen beim Thema Steuerharmonisierung. Nach wie vor ist es so, daß viele Mitgliedsländer, insbesondere aus Osteuropa, aber auch Großbritannien und Irland, stark unterdurchschnittliche Unternehmenssteuern erheben.

Finanziert wird dies teilweise über Subventionen – von den Ländern, in denen eine höhere Besteuerung von Kapital- und auch Personengesellschaften gilt. Das ist ein inakzeptabler Zustand. Die Haushaltsmisere hierzulande hat in beträchtlichem Maße etwas mit dem Steuerwettbewerb innerhalb der EU zu zun. Fast könnte man von einer Art Binnen-Kannibalisierung sprechen. Den Unternehmen ist nicht vorzuwerfen, daß sie die Angebote zum Steuersparen nutzen, etwa durch Verlagerungen oder die Gründung von Ländergesellschaften, denen bilanztechnisch Gewinne im Rahmen des Möglichen zugeschoben werden. Sie machen das Beste aus den gegebenen Rahmenbedingungen, wie es die Pflicht der Unternehmensführer ist.

Bundeskanzlerin Merkel hat beim vergangenen EU-Gipfel allseits Lob für ihre diplomatischen Vermittlungen eingeheimst – die Vereinheitlichung der Steuersätze dürfte zur nächsten großen Herausforderung heranwachsen. Spätestens, wenn tatsächlich ein Defizitverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet werden sollte, wird das für harte Auseinandersetzungen sorgen. Daß es die Kommission bislang trotz fortgesetzten Verfehlens des Klassenzieles beim deutschen Haushalt beim warnenden Heben des Zeigefingers beließ, mag auch darin begründet sein, den größten Netto-Beitragzahler nicht über Gebühr zu reizen.

Höhere Steuereinnahmen von Unternehmen sind der Schlüssel zur Konsolidierung der Haushalte. Doch nicht die höhere Besteuerung der real zahlenden Unternehmen in der Bundesrepublik ist damit gemeint, sondern die Gesamtanhebung innerhalb der EU. Für die Bundesrepublik könnte das sogar zur Senkung der Steuersätze führen – wenn all das auch versteuert würde, was hier produziert oder dienstgeleistet wird. Die Harmonisierung verspricht daher viel mehr Erfolg als die geplante Anhebung von Verbrauchssteuern.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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