Zur Erinnerung: Die wichtigsten Börsen-Indices stehen wieder dort, wo sie schon vor einem halben Jahr anzutreffen waren – oder sogar tiefer. Unter dem Strich ist für viele nichts Zählbares aus den ersten sechs Monaten dieses Jahres herausgesprungen, abgesehen vielleicht von zwischenzeitlichen Freudensprüngen und anschließenden Magenkrämpfen.

Die Gründe dafür sind leicht auszumachen. Wenn man mal die makroökonomische Situation außer acht läßt, die sich durch mehrere Zinsschritte zweifellos etwas eingetrübt hat, beschränkt sich der Prognosezeitraum vieler Professionals auf nur noch einige wenige Tage. In der Regel sind das die Tage bis zur Veröffentlichung der nächsten Wirtschaftsdaten in den Vereinigten Staaten. Da die Konsumenten- und Produzentenpreise sowie die Arbeitsmarktdaten gewöhnlich freitags bekannt gegeben werden, hat sich dieser Wochentag zum wesentlichen Event vieler Wochen gemausert. Zu Beginn einer solchen Woche wird am Montag oder Dienstag dann die jeweilige Lustlosigkeit an den Börsen auf das bevorstehende Ereignis gegen Ende der Woche geschoben. Vorher würde sich niemand zu weit aus dem Fenster lehnen wollen, so die eintönigen Kommentare der TV-Profis anläßlich des Erklärungsnotstandes.

Daß sich in Europa niemand exponiert, wenn die USA Wirtschaftsdaten melden, und vor allem der DAX sehr häufig dem Auf und Ab des Dow Jones vollständig ausgeliefert zu sein scheint, ist gemeinhin bekannt. Während es bisher so war, daß deutsche Händler diese Vermutung lediglich einräumten, sich aber darauf beriefen, sehr wohl ein Eigenleben zu führen, wird diese Kopplung mittlerweile sogar öffentlich zugegeben, und mehr noch, sie ist dieser Tage die einzige Erklärung für einen orientierungslosen Handel. Die einzige Erklärung zumindest, die man den Kleinanlegern überhaupt noch einigermaßen glaubwürdig anbieten kann.

Nun sind die Sommerwochen traditionell ohnehin nicht gerade für eine deutliche Markttendenz bekannt. Die Inhaltslosigkeit in diesem Jahr steht aber noch deutlich über der vergangener Jahre. Gleich nach der US-Notenbanksitzung Ende Juni, wo das Non-event „Zinsen bleiben unverändert“ stattfand, kam es nicht etwa zu einer Erleichterung an den Börsen angesichts des Umstandes, daß nach sechs Zinserhöhungen in Folge die Zinsspirale zumindest vorläufig gebremst werden konnte. Bezeichnenderweise sprach man noch am selben Abend davon, daß man dann eben auf der nächsten Sitzung in sechs Wochen mit einem weiteren Schritt zu rechnen habe.

Und einmal mehr hatten sich damit alle Aussichten auf eine moderate Sommer-Rallye verflüchtigt, schließlich begann damit gleichzeitig Woche Nummer 6 vor der nächsten möglichen Leitzinsschraube. Gemäß dem alten Herberger-Motto „Nach der Zinserhöhung ist vor der Zinserhöhung“ heimste man vorab einen Freifahrtsschein für die Erklärung von Kursentwicklungen der nächsten sechs Wochen ein, auf den man bei Bedarf immer wieder würde zurückgreifen können. Aus Mangel an besseren Argumenten würde es zur Zeit ohnehin kaum jemand wagen, einem Analysten zu widersprechen, der die aktuellen Kursfluktuationen zwischen zwei US-Wirtschaftsdaten mit der Sorge vor den jeweils nächsten Veröffentlichungen erklärt.

So wird denn in den nächsten Wochen wohl weiterhin nur das gut laufen, was im ersten Halbjahr schon für Gewinne sorgte: Das, was die breite Masse der Privaten und wahrscheinlich auch der Profis am wenigsten versteht. Namentlich die komplexen Materien der Biotechnologie sorgen daher aktuell für die meiste Phantasie. Ist nämlich die Technologie derart kompliziert, so ist schließlich die Aussicht auf zukünftige Gewinne am größten…

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