Gewerkschaftsarbeit, das ist schon lange keine Veranstaltung des Klassenkampfes mehr. Krachende Rhetorik im Stile eines Franz Steinkühler hat ausgedient – und mit ihr die letzte prominente Kämpferin dieses Gewerkschaftsgenres. Kein Zweifel: Ursula Engelen-Kefer hat als sehr beharrliche Streiterin für die Sache der Werktätigen – was ihr den Spitznamen Quengelen-Kefer einbrachte – viele Erfolge vorzuweisen und war zu ihrer Zeit die richtige Frau am richtigen Platz.

Doch jetzt sind andere Strategien gefragt. Die Gewerkschaften müssen sich den sich wandelnden ökonomischen Gegebenheiten stellen und unter geänderten Vorzeichen ihre Rolle im Spiel der Kräfte zum Interessenausgleich ausfüllen. Auch wenn Gewerkschaften von einigen Arbeitgebern als Bremser verteufelt werden, ist ihr Anteil am Gelingen der Sozialen Marktwirtschaft nicht zu bestreiten. Und viele, die sich öffentlich über IG Metall und andere mokieren, geben off-the-records schon mal gerne zu, daß sie Tarifverhandlungen im eigenen Betrieb nicht eben goutieren würden.

Man muß nicht die sozialen Errungenschaften, die teilweise in langen Streiks erkämpft wurden, generell in Frage stellen, um zum Ergebnis zu gelangen, daß zum Beispiel Öffnungsklauseln in Flächentarifverträgen und lockere Kündigungsschutzregelungen sehr sinnvoll sein können. Intelligente Arbeitszeitmodelle, Alters-Vorsorgeregelungen und ganz besonders institutionalisierte Fortbildungsmöglichkeiten sind gefragt.

Einstiege in die richtige Richtung hat es bereits gegeben, sie müssen konsequent ausgebaut werden. Dann könnten die Gewerkschaften auch der medialen Defensive entfliehen. Es muß die VerDi-Funktionäre doch sehr nachdenklich stimmen, daß die öffentliche Meinung dem Streik im Öffentlichen Dienst ablehnend gegenüberstand, obschon an der Spitze des Verhandlungspartners mit Hartmut Möllring Gestalt gewordene Arroganz die Führerschaft inne hatte – was ansonsten beim viel zitierten kleinen Mann gar nicht gut ankommt.

Ursula Engelen-Kefer stand vielleicht nicht für eine ewiggestrige Auffassung von Gewerkschaftsarbeit, aber auch nicht für den modernen Aufbruch. Jetzt hat sich der Deutsche Gewerkschaftsbund personell erneuert. Das ist eine gute Nachricht für den Standort Deutschland. Starke Gewerkschaften können den Standort stärken, wenn sie gleichzeitig modern und innovativ sind.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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