Hanryk Deter, Vorstand, cometis AG

Die Aufgaben der IR-Abteilung verlangen fast zwangsläufig eine enge Abstimmung mit den Vorständen ihrer Gesellschaften. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus, wie ist sie organisiert? Welche Informationen erhalten Vorstände regelmäßig aus der IR-Abteilung? Und wie eigenständig können die IR-Verantwortlichen agieren? Das IR-Panel Q3 2012 beleuchtet das Zusammenwirken von Vorstand und Investor Relations und hat dazu die IR-Verantwortlichen um ihre Einschätzungen gebeten.

CFO und CEO in der Pflicht

Beim Zusammenspiel zwischen IR-Abteilung und Vorstandsebene stellt sich als erstes die Frage, an wen IR berichtet, also bei welchem Vorstand das Ressort angesiedelt ist. Gründe lassen sich sowohl für den Vorstandsvorsitzenden – der die Unternehmensstrategie verantwortet – als auch für den Finanzvorstand – der das Zahlenwerk unter seiner Kontrolle hat – nennen. Und entsprechend divergent zeigt sich die Aufteilung: 41% der Panelteilnehmer berichten an den Vorstandsvorsitzenden (CEO), gut 51% an den Finanzvorstand (CFO). Bei 3% der Unternehmen liegen die Positionen CEO und CFO in einer Hand. Alle übrigen Unternehmen werden durch einen Alleinvorstand geführt oder IR ist einem anderen Ressort zugeordnet.

Die organisatorische Ansiedelung der IR-Abteilung ist dabei offenbar kaum von der Größe der Unternehmen abhängig. Im MDAX, wie auch bei SDAX und TecDAX sowie den Gesellschaften, die in keinem Index vertreten sind, überwiegt leicht die Platzierung beim Finanzvorstand. Allein in den teilnehmenden DAX-Unternehmen ist die Struktur recht eindeutig: In vier von fünf Fällen ist der CFO der direkte Kontakt für IR im Vorstand.

Berichterstattung an den Vorstand

Wie ist der Austausch mit dem jeweiligen Vorstand konkret organisiert? Ein gutes Drittel aller Unternehmen hat eine regelmäßige, institutionalisierte Berichterstattung an den Vorstand eingeführt. Die verbleibende Mehrheit stimmt sich dagegen unregelmäßig nach Bedarf oder in einem fortlaufenden Prozess mit dem jeweiligen Vorstandsmitglied ab. Ein Einfluss der Unternehmensgröße lässt sich auch hier kaum ausmachen – gute Gründe kann man für „flexiblere“ ebenso wie für „geordnetere“ Strukturen finden.

Befragt nach der Regelmäßigkeit der Abstimmung gaben 57% der IR-Manager mit einem „institutionalisierten Reporting“ einen wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Turnus an, den übrigen Unternehmen genügt ein monatlicher Austausch – neben der unvermeidlichen Kontaktaufnahme „ad hoc“ bei unvorhergesehenen Ereignissen.

In welcher Form der Austausch zwischen IR und Vorstand auch organisiert ist, das IR-Kerngeschäft bildet eindeutig den inhaltlichen Schwerpunkt dieser Kommunikation: Über 90% der Panel-Teilnehmer gaben an, die Planung und Organisation von Investorenveranstaltungen stelle regelmäßig einen Kern der Gespräche dar. Standardthemen der internen Berichterstattung sind auch das aktuelle Investoreninteresse und -feedback (80,3% sehen hierin einen Schwerpunkt), Analystenstudien und Entwicklung der Coverage (78,8%) sowie Aktienkurs und Handelsvolumen (75,8%). Weitere wichtige Themen bilden die Finanzberichterstattung (69,7%) und Veränderungen im Aktionärskreis (63,6%).

Deutlich seltener bedeutender Gesprächsgegenstand ist das aktuelle Interesse aus den Wirtschafts- und Finanzmedien (40,9%). Hier spielt allerdings auch die Unternehmensgröße eine wichtige Rolle: Nur 30% der Indexunternehmen (und keines aus dem DAX) sehen hierin einen regelmäßigen Schwerpunkt des Austauschs mit dem Vorstand, während es bei Nicht-Index-Unternehmen 57,7% sind. Ein Zeichen für die zunehmende Spezialisierung der IR mit wachsender Unternehmensgröße: Bereits in den meisten MDAX-Unternehmen ist die Presse- bzw. Kommunikationsabteilung mit diesem Thema betraut.

Kapitalmaßnahmen des Unternehmens und allgemeine Entwicklungen am Kapitalmarkt wurden von jeweils etwa einem Viertel der Teilnehmer als Schwerpunkte genannt. Auch die Beobachtung von Wettbewerbern – im Hinblick auf IR-relevante Themen dann auch „Peergroup-Analyse“ genannt – ist bei einigen Unternehmen regelmäßig wichtiger Gegenstand des Austauschs mit der Unternehmensführung.

IR: Berater des Vorstands oder Erfüllungsgehilfe?

Neben den klassischen Investor-Relations-Aufgaben sieht die Mehrheit der IR-Verantwortlichen ihren Wirkungsbereich deutlich weiter gefasst: 63,6% der Befragten stimmen der Aussage zu, dass „eine wesentliche Funktion der IR in der Kommunikation von relevanten Erkenntnissen aus der IR-Arbeit nach innen bzw. an den Vorstand“ besteht. Hier ist allerdings der Unterschied zwischen Groß und Klein signifikant: 77,5% der IR-Abteilungen aus Index-Gesellschaften wirken in diesem Sinne auch nach innen (darunter alle teilnehmenden DAX-Gesellschaften), während es unter den übrigen Teilnehmern nur 42,3% sind.

Das Selbstverständnis als „Berater für den Vorstand hinsichtlich der kapitalmarktorientierten Ausrichtung des Unternehmens“ reklamiert eine deutliche Mehrheit von 65% aller Teilnehmer für sich, darunter alle DAX-IR-Manager. Dass aber bspw. jeder zweite Befragte aus dem SDAX die Frage vornehm negiert, kann nicht überzeugen. Die IR-Abteilung verfolgt ein strategisches Unternehmensziel und stellt damit mehr als nur das Sprachrohr des Vorstands in Richtung Investoren dar.

Gebeten um ihre Einschätzung, wie viel Prozent der IR-Arbeit unter direkter Einbeziehung des Vorstands stattfindet, sahen etwas mehr als die Hälfte der Panel-Teilnehmer diesen Anteil bei höchstens 20% oder weniger. Dieses Verhältnis erscheint angesichts des vielfältigen Abstimmungsbedarfs durchaus nachvollziehbar. Bei der knappen anderen Hälfte fällt der Anteil dieser „Gemeinschaftsarbeit“ jedoch teils erheblich höher aus.

Auffällig ist, dass mehr als ein Viertel aller Teilnehmer der nicht in einem Index vertretenen Unternehmen angibt, mehr als 50% der IR-Arbeit in direkter Zusammenarbeit mit einem Vorstandsmitglied zu verrichten. Dieser erstaunlich hohe Anteil zeigt, dass in vielen kleineren Unternehmen die IR-Manager nicht um eine sehr enge Abstimmung mit der Vorstandsebene umhinkommen.

Es liegt nahe, dass diese Abstimmungsprozesse auf Seiten des Vorstands – aber auch beim IR-Manager – erhebliche Ressourcen binden. Eine Professionalisierung der Strukturen und die Weiterbildung des IR-Personals, verbunden mit einem entsprechenden „Vertrauensvorschuss“ für den IR-Manager durch den Vorstand, können für beide Seiten vorteilhaft sein. Externe Berater können in diesen Prozess temporär oder dauerhaft einbezogen werden und mittelfristig zu einer größeren Selbstständigkeit der IR beitragen.

Über 80% der IR-Manager aus Nicht-Index-Unternehmen, aber auch viele ihrer SDAX- und TecDAX-Kollegen, überlassen den Auftritt auf Roadshows, bei One-on-Ones und Konferenzen ausschließlich ihrem Vorstand. Im MDAX dagegen treten nur 23% der Verantwortlichen derart in die zweite Reihe. Hier zeigt sich ohne Zweifel ein Mangel in der IR-spezifischen Ausbildung und Erfahrung der handelnden Personen. Auch in kleineren börsennotierten Gesellschaften spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass ein entsprechend kompetenter IR-Officer mit ausgewählten Investoren auf Augenhöhe spricht. Er kann etwa Ersttermine mit potenziellen Investoren wahrnehmen oder das Unternehmen auf kleineren Kapitalmarktkonferenzen vertreten und so den Vorstand erheblich entlasten. Der Vollständigkeit halber erwähnt sei aber auch, dass etwa DAX-Unternehmen im Durchschnitt mit einem IR-Team von 12,6 Personen (in Vollzeitstellen, siehe IR-Panel Q2 2012) antreten, während die IR vieler Nebenwerte in der Hand einer Person liegt, oft zusammen mit anderen Querschnittsbereichen.

Je kleiner, desto abhängiger

Weitere Fragen des IR-Panels bestätigen die Tendenz, dass IR-Abteilungen kleinerer Unternehmen weniger autark arbeiten als ihre Pendants in großen Aktiengesellschaften. So stimmen 42% der kleineren Gesellschaften unterhalb SDAX und TecDAX der Aussage zu, dass die IR-Abteilung „ganz überwiegend im Hintergrund und organisatorisch“ tätig ist. Die IR der Index-Gesellschaften scheint deutlich selbstbewusster nach außen zu agieren: Gerade 12,5% stimmen hier dieser Aussage zu und schätzen ihr Auftreten damit eher unauffällig und passiv ein. Die Schlüsse aus diesem IR-Panel fügen sich damit insgesamt in die Ergebnisse vorhergehender Umfragen ein.

In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass nur eine Minderheit der IR-Abteilungen von Nebenwerten konkrete Zielvereinbarungen zur IR-Arbeit mit dem Vorstand abstimmt. Mit zunehmender Unternehmensgröße wächst die Vereinbarung strategischer Ziele – was generell auch der höheren Bürokratie in Großunternehmen geschuldet sein könnte. Die Einzelauswertung des Panels lässt jedoch den Schluss zu, dass die IR-Abteilungen mit Zielvereinbarungen auf Basis dieser Ziele wesentlich eigenständiger agieren als die Abteilungen in Unternehmen, in denen keine derartigen Absprachen getroffen werden.

Aufsichtsrat wird einbezogen

Auf den ersten Blick überraschend wirkt es, dass mehr als zwei Drittel der IR-Abteilungen in direktem Kontakt mit dem Aufsichtsrat ihrer Gesellschaft stehen. Knapp 38% informieren die Aufsichtsratsmitglieder sogar regelmäßig zu Investor-Relations-Themen. Ein Teilnehmer aus dem TecDAX gibt an, dass der Aufsichtsrat monatlich einen eigenen IR-Report erhält. Wachsende Abstimmungsbedürfnisse mit dem Aufsichtsrat im Bezug auf Corporate-Governance-Themen und Corporate Social Responsibility (CSR) können ein Grund für den regen Austausch sein. Da die Aufsichtsratsmitglieder – unter anderem – dem Wohle der Aktionäre verpflichtet sind, ist ein vertieftes Interesse an Investor-Relations-Themen in jedem Fall nur zu begrüßen.

Fazit

Investor Relations ist auf eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand der Gesellschaft angewiesen. Die oberste Führungsebene entscheidet letztlich, wie sich das Unternehmen seinen Investoren präsentiert. Darüber hinaus gilt: Je größer das Unternehmen, desto eher treten die IR-Verantwortlichen auch beratend gegenüber dem Vorstand auf. Gleichzeitig fassen sie ihre Funktion selbstbewusster auf und entscheiden autonomer. In einigen Punkten sollten sich IR-Manager kleinerer Unternehmen hieran orientieren. Investoren erwarten bei Nebenwerten zwar oft den Vorstand als direkten Ansprechpartner. Dennoch sollten auch hier die IR-Verantwortlichen über so weitreichende Entscheidungskompetenzen – und das entsprechende Know-how – verfügen, dass sie nicht mehr über die Hälfte ihrer Arbeit mit dem Vorstand abstimmen müssen.

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