Wären die maßgeblichen Akteure Fußballer, würde die versammelte Presse von satten Profis schreiben, die routiniert ein 0:0 über die Zeit bringen, statt beherzt auf Angriff zu spielen. 2,3 oder 2,4 Prozent bei der glänzenden Ausgangslage, die Deutschland als führende Exportnation besitzt, das hat Züge eines behäbigen Grottenkicks. Was wir brauchen, ist die Klinsmannisierung des Denkens: Wenn die Weltwirtschaft im vierten und wahrscheinlich fünften Jahr in Folge mit mehr als fünf Prozent wächst, dann ist jedes Prozent darunter in Deutschland eine Niederlage.

Fest steht: Michael Glos, dieser, mit Verlaub, ökonomische Grobmotoriker auf der Liberoposition, kann den Klinsmann nicht geben. Statt für die Zukunft mindestens die Drei vor dem Komma beim Wachstum zu fordern, rechnet er öffentlich mit einer ziemlichen Delle durch die Mehrwertsteuer-Erhöhung im kommenden Jahr. Das ist so, als würde Bayern-Coach Felix Magath vor einem Spiel in Cottbus hoffen, nur mit 0:3 zu unterliegen, um sich fürs Rückspiel noch Chancen ausrechnen zu können.

Wenn das so ist mit der Wachstumsdelle, wird sich der ohnehin verunsicherte Konsument denken, dann kaufe ich mein neues Auto besser doch noch nicht. Und der neue Flachbild-Fernseher wäre zwar schön, aber noch tut es der alte Apparat ja auch. Was ist das für eine neue Bescheidenheit? Wenn sich die amerikanische Wirtschaft auf 2 % Wachstum abkühlte würden die üblichen Verdächtigen vor weitreichenden negativen Effekten hierzulande warnen. Aber zwei Prozent in Deutschland sollen ganz o.k. sein?

Statt die Menschen zu begeistern und sie für einen Aufbruch zu gewinnen und zu motivieren werden sie mit ständig verschärften Hartz IV-Regelungen konfrontiert. Dabei vergessen die Politiker gerne, dass die so bitter beweinten Mehrausgaben in Milliardenhöhe das wahrscheinlich direkteste und effizienteste Konjunkturprogramm in der Geschichte der Republik war. Man kann den weiteren Aufschwung nicht in der Art eines zappeligen Motivationstrainers ausschließlich herbeireden, aber man kann ihn sehr wohl kaputt reden oder mit falscher Einstellung verpassen.

Deutschland im Oktober, die Zukunftserwartungen des ZEW-Indexes auf einem 13-Jahres-Tief: 0:0 hört man den Kommentator im Hintergrund den Spielstand reportieren. Und seine Einschätzung: „Mangelnde Chancenverwertung“.

Stefan Preuß

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