Ähnlich wie bei Direktbank-Konkurrent ConSors im April 1999 hatte die comdirect-Führung ein Mehrklassen-Zuteilungssystem zur Anwendung gebracht, welches die (zu) große Menge der Zeichner in drei Klassen einteilte. Demzufolge wurde eine Einteilung in 13.000 alte oder aktive Kunden, 9.200 mittelgute sowie 232.000 kleine oder gar neue Kunden vorgenommen. Innerhalb dieser Gruppen bekamen Zeichner dann 250, 150 bzw. in der letzten Klasse 48 Aktien zugesprochen – falls sie ausgelost wurden.

Genau dies war wieder einmal Stein des Anstoßes. Nicht etwa jeder Zeichner erhielt diese Zuteilungsgrößen, sondern nur jeder zweite. Ebenfalls jeder zweite Commerzbank-Kunde kam in den Genuß von ganzen 33 Aktien. Einmal mehr entschied also das Losglück über einen Platz in der ersten Reihe. Wenig verwunderlich daher, daß auch beim mit Spannung und einer gewissen Vorfreude erwarteten Börsengang der comdirect viele leer ausgegangene Privatanleger ihrem Frust Luft machten.

Im großangelegten Pre-IPO-Marketing hatte Vorstandschef Bernt Weber in breiten Zeitungsanzeigen bei vielen offenbar den Eindruck erweckt, daß jeder orderwillige comdirect-Kunde auch tatsächlich eine feste Zuteilung erhalten werde. Nicht zufällig hatte die orange-gelbe Direktbank seit der Ankündigung ihres Going Public einen überdurchschnittlichen Neukunden-Andrang verzeichnen können. Sicherlich nicht alle, so doch aber eine Vielzahl unter den Neuen, hatte die Aussicht auf sichere Zeichnungsgewinne zur Eröffnung eines zusätzlichen Depots bei der comdirect angetrieben.

Das IPO des Branchenkonkurrenten ConSors vor einem Jahr hatte gezeigt, wie einfach schnelle Gewinne zu bewerkstelligen waren – man mußte lediglich Kunde des Discount-Brokers sein, um bei dem Börsengang mit im Boot zu sitzen. Auch dort kam ein Mehrklassensystem zur Anwendung, allerdings mit dem Unterschied, daß auch tatsächlich jeder Zeichner bedient wurde. Da die ConSors-Aktien gleich 100 % über dem Ausgabepreis in den Handel starteten und damit entsprechend hohe Zeichnungsgewinne anfielen, gab es für Unzufriedenheit bei den Privaten keinerlei Anlaß.

Beim Börsengang der Direkt Anlage Bank (DAB) spitzte sich die Situation bereits zu. Viel zu wenig Aktien stießen auf eine zu große Nachfrage. Da auch die DAB ihren Kunden eine sichere Zuteilung zugesagt hatte, mußte vehement quotiert werden. Gute Kunden erhielten gerade mal 35 Aktien für insgesamt 437,50 Euro – zu wenig natürlich, als daß man sich darüber hätte freuen können.

Nach ConSors und der DAB wagte es nun also auch comdirect, mittels des eigenen IPOs um die Gunst der Kunden zu buhlen. In der Zwischenzeit haben die Direktbanken aber einen enormen Run erlebt, der sich vor allem in der ersten Jahreshälfte 2000 noch weiter beschleunigt hat. Daß comdirect mit Hilfe aggressiver Werbemaßnahmen, die den Börsengang werbetechnisch in Szene setzten, die Kundenzahl noch weiter aufblähte, erzeugte jetzt die entsprechende Gegenreaktion. Obwohl der Börsengang der comdirect sicherlich keine kleine Emission war, konnten dennoch nicht alle Zeichner bedient werden. Ein Umstand, der der comdirect-Führung eigentlich seit vielen Monaten schon klar sein mußte. Nichtsdestotrotz lief die Marketingkampagne weiter auf vollen Touren.

Auf der anderen Seite muß man sich natürlich fragen, inwiefern Mitleid mit leer ausgegangenen comdirect-Kunden tatsächlich angebracht erscheint. Mit Sicherheit kann es die deutsche Aktienkultur sehr gut verkraften, wenn Leute, die ausschließlich im Hinblick auf den Börsengang und den vermeintlich sicheren Zeichnungsgewinnen kürzlich erst ein Depot bei der comdirect eröffnet hatten, nicht mit Aktien überschüttet worden sind. Bedauerlich dagegen, daß einige langjährige Commerzbank- und comdirect-Kunden darunter zu leiden hatten und nun ebenfalls in die Röhre sehen.

Eines sollte aber der einen wie der anderen Gruppe klar sein: An die Aktien begehrter Neuemissionen heranzukommen wird immer schwierig sein. Entweder erhält jeder Ordernde eine Minizuteilung oder es wird gelost. Grund zur Klage wird es daher in jedem Falle geben. Ob ein Auktionsverfahren Abhilfe schaffen kann, müssen weitere Versuche erst noch zeigen.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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