Viele Kleinaktionäre wunderten sich aber, daß sie so wenig „Sechste“ kennen. Bierdunst und Zigarettenqualm fanden schnell einen Grund: Es hat daran gelegen, daß einige eben doch gleicher sind als die anderen. Ohne dies zu kommentieren, stellen wir uns heute die Frage, wie solche Volksemissionen zukünftig besser ablaufen können. Schließlich steht T-Online vor der Tür – Robert T-Online.

Ein Vorschlag, der auf der Hand liegt, ist, mehr Aktionären weniger Aktien zur Verfügung zu stellen. Das hat der britische Internet Hype-Flyer Lastminute.com erfolglos versucht. Das Unternehmen, das magere 20 % seiner Aktien an Kleinaktionäre verteilte (zum Vergleich: Bei Infineon waren es rund 40 %), vergab seine Aktien in Paketchen à 35 Stück zu 380 Pence. Jeder erfolgreiche Zeichner erhielt damit Aktien für etwas mehr als 400 Märker! Zwar sind die Papiere anfänglich bis auf 530 Pence angestiegen, doch schlossen sie am Freitag bereits wieder bei mageren 392,5 Pence. Dieser Egalitarismus lud scheinbar eher zum Direktausstieg denn zum sinnvollen Langfristengagement ein. Über die Tatsache, daß Lastminute.com die Preisspanne vor dem IPO noch um 67 % nach oben angehoben hatte, wollen wir uns gar nicht erst auslassen…

Eine andere Möglichkeit ist die „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Strategie, wie sie bei einigen Internetbanken angewandt wird. Für den breiten Markt scheint das Verfahren allerdings wenig angebracht. Es käme zu einer Verteilung der Aktien unter einer kleinen Info- und Beziehungselite, die womöglich bei mehreren Institutionen gleichzeitig die erste Geige spielen würden. Vielversprechender erscheinen da schon Innovationen wie Unternehmensfragebögen, die informierten Investoren bessere Zuteilungschancen einräumen. Die bevorrechtigte Zuteilung von eigenen Kunden, wie sie T-Online angedacht hat, sollte aus wettbewerbsrechtlichen Gründen in der Tat kritisch betrachtet werden (Das Landgericht Hamburg hat T-Online dieses Vorhaben deshalb auch untersagt, aber eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen.) Ron Sommer kündigte gegenüber „Bild am Sonntag“ jedenfalls ein faires und transparentes Vergabeverfahren an. Um nicht den gleichen Fehler wie Infineon zu machen, wird T-Online das Verfahren rechtzeitig offenlegen.

Im Grunde aber dreht sich die Debatte um Vergabeverfahren auf der Stelle. Es geht darum, das Problem an der Wurzel zu packen. Es darf nicht vergessen werden, daß Kleinaktionäre auf der Jagd nach Neuemissionen trickreich vorgehen. Es werden Depots auf alle Familienmitglieder und Haustiere eröffnet und das gleich bei mehreren Institutionen. In der Regel werden wesentlich mehr Aktien gezeichnet, als man langfristig halten möchte. Zweistellige Zeichnungsgewinne verlocken zum schnellen Profit. Das kann man niemandem vorwerfen. Diese Absurditäten schreien allerdings nach neuen Spielregeln bei der Aktienvergabe, die momentan vollkommen unreguliert ist.

Die folgenden Ideen sind lediglich als Anreiz für eine Debatte zum Thema Aktienvergabe zu verstehen. Manche Forderung ist vielleicht zu idealistisch oder praktisch schwer durchführbar. Dennoch ist es Zeit, die absurde Aktienjagd zu beenden und zu effizienteren und faireren Vergabeverfahren zu kommen.

  1. Jeder, der Aktien zeichnen möchte, sollte gezwungen sein, den maximalen Orderbetrag sofort zu hinterlegen (oder wie im Falle Lastminute.com einen Scheck auszustellen). Zigfache Überzeichnungen kommen oft nur deshalb zustande, weil „über die Verhältnisse“ gezeichnet wird.
  2. Wenn irgend möglich, sollte nur eine Zeichnung pro Nase, nicht aber eine Zeichnung pro Depot möglich sein. Zugegeben: Eine Zentralerfassung der Daten wäre wahrscheinlich unvereinbar mit dem Bankgeheimnis. Die Idee, daß erfolglose Zeichner ihre Chancen für die nächste Emission verbessern könnten, sollte auf ähnliche Bedenken stoßen…
  3. Nur erfahrene Bankkunden, die außer Neuemissionen bereits Börsenerfahrung haben, sollten zeichnen dürfen. Die „Aktivierung der Oma“ könnte somit verhindert oder zumindest erschwert werden.
  4. Lock-up-Periode = bessere Zeichnungschancen: Kleinanleger, die sich bereit erklären, ihre Aktien für eine längere Zeit bei der Bank zu hinterlegen, sollten bevorzugt behandelt werden. Unternehmen fürchten oft, je mehr Anteile sie an Kleinanleger abgeben, desto volatiler wird die Aktie. Eine solche Maßnahme könnte dieses Argument entkräften.
  5. Man darf die Frage stellen, ob traditionelle Banken an fairen Zuteilungsverfahren interessiert sind oder lieber altgediente Kunden bevorzugen. Die Börsenkandidaten sollten sich deshalb bei der Vergabezeremonie sowohl mit Banken als auch mit Aktionärsverbänden an einen Tisch setzen, um Transparenz zu schaffen.

…eine letzte (nicht ganz ernst gemeinte) Idee hätten wir da noch: Aussichtsreiche Unternehmen wollen gut informierte Investoren, die wissen, worin sie investieren. Warum sollten GoingPublic-Abonnenten also nicht bevorzugt werden?

Welche der aufgeführten Ideen sind Ihrer Meinung nach die besten? Senden Sie ganz einfach Ihre Antwort (Nummer genügt) an: feedback@goingpublic-online.de.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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