Kommen wir zunächst zu den Fakten: Im Zeitraum der letzten 40 Jahre wuchs in den Vereinigten Staaten das verarbeitende Gewerbe mit durchschnittlich 3,3 % pro Jahr, völlig im Einklang mit dem durchschnittlichen Wachstum des Bruttoinlandprodukts bis 1994. Seitdem jedoch stieg die Kapazität um 4,7 % p.a., das BIP nur noch um 3,1 % p.a. Das heißt nichts anderes, als daß sich Teile von US-Firmen aus dem Handwerksbereich in einem groben Leerlauf befinden, weil sie sich für weit bessere Zeiten gerüstet haben. Daraus folgt, daß der potentielle Erholungspfad deutlich dürftiger ausfallen muß als derzeit noch von vielen angenommen. Die zur Verfügung stehenden Kapazitäten sind weiterhin viel zu hoch, und genau das ist der Grund dafür, warum die US-Wirtschaft außer Erwartungswerten bislang noch nicht viel Handfestes abgeliefert hat.

Damit löst sich auch die Vision vom Wachstum, das wieder Arbeitsplätze schafft, in Luft auf. Weder wollen die Unternehmer Kredite aufnehmen, um ihre Produktion auszuweiten (höchstens um anderweitige Verbindlichkeiten zu bedienen), noch wollen sie neue Arbeitsplätze schaffen. Weitere Zinssenkungen helfen nichts. Statt dessen steht zu befürchten, daß abermals billiges Geld von Seiten der Privaten wiederum in den Hausmarkt fließt. Kombiniert man das im vorhergehenden Absatz Gesagte nun mit der irrigen Annahme, daß die US-Arbeitsplätze sicher seien oder gar neue entstünden, wird zunehmend deutlicher, daß auch der letzte Eckpfeiler der US-Wirtschaft, der Wohnungsmarkt, alles andere als ein granitenes Fundament aufweist.

Ein Bürger ohne Job oder in Erwartung eines Jobverlustes kann dem Wohnungsmarkt in der Summe den Garaus machen. Seit Mitte der 90er sind die Immobilien-Preise in den Staaten schon um durchschnittlich 30 % gestiegen, und das ist nur der Durchschnittswert. Das Verhältnis von Immobilienpreisen zu Nettoeinkommen ist vor einiger Zeit regelrecht nach oben ausgebrochen. Entweder stimmt was mit den Wohnungswerten nicht oder aber mit den Einkommen der US-Bürger. Jede Übertreibung führt früher oder später auf ihren langfristigen Trend zurück, deshalb heißt er ja langfristiger Trend. Das billige Geld scheint über die Möglichkeit der Refinanzierung direkt in den Immobilienmarkt geflossen.

Da Notenpresser Greenspan das Geld nicht endlos billiger machen kann – auch wenn er nächste Woche einmal mehr die Schleusen öffnen sollte –, muß auch dieser Trend sein Ende finden. Hat hier jemand von Schaulustigkeit gesprochen? Mitnichten – denn es besteht durchaus noch die Möglichkeit eines geregelten Ablaufs, zumindest theoretisch. Doch eingedenk des Umstandes, daß die letzten Trends aus den USA immer gleich zu irrationalen Überschwängen führten, bleibt die Frage ungestellt, ob denn nun in diesem Punkt eine Ausnahme zu erwarten wäre.

Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin