Doch die Mittel aus einem Börsengang werden i.d.R. für wichtige Investitionen und Expansionsschritte benötigt; aber in fast allen Branchen sehen sich die Unternehmen einer Wettbewerbssituation ausgesetzt, die es nicht erlaubt, Investitionen auf Jahre hinauszuschieben. Dies gilt insbesondere für High Tech-Unternehmen.

Viele Vorstände verstehen nicht, warum „ihr“ Unternehmen eine günstigere Emissionsbewertung haben soll als die Peer Group. Obwohl man doch gar nicht mit denen vergleichbar und viel besser aufgestellt ist. Das Problem ist nur, daß die anderen das auch von sich glauben.

Warum die Bewertung eines Börsenkandidaten bei Emission aus Investorensicht günstiger sein muß, ist leicht erklärt: Der Emittent benötigt zusätzliche Mittel vom Kapitalmarkt. Für Anleger, die in anderen Aktien investiert sind, muß der Preis so attraktiv sein, daß sie sich teilweise von diesen trennen und in die Aktien des Emittenten investieren.

Zudem stehen notierte Unternehmen und Vorstände im Blickpunkt der Investoren und der Medien – quasi unter ständiger Beobachtung. So werden die Prognosen beispielsweise immer sehr genau mit den späteren Ist-Zahlen verglichen. Viele Börsenkandidaten veröffentlichen hingegen nicht einmal einen Geschäftsbericht, von Prognosen etc. ganz zu schweigen. Die Qualität und Zuverlässigkeit des Managements ist für die Anleger als wesentlich schwieriger zu beurteilen. Diesem Punkt kommt insbesondere nach den zahlreichen Planverfehlungen der letzten Jahre eine große Bedeutung zu.

Für die langfristige Entwicklung eines Unternehmens dürfte zudem ein Emissionspreis, der um 10 % oder 15 % unter den Vorstellungen des Vorstandes liegt, kaum von Bedeutung sein. Wesentlich dramatischer dürfte sich hingegen das Verschieben von Investitionen auswirken. Und eines sollten die Vorstände nie vergessen: Mit einem IPO stehen sie nicht nur im Blickpunkt der Öffentlichkeit, sondern auch unter genauerer Beobachtung ihrer Geschäftspartner. Jeder Vorstandsvorsitzende, der zum ersten Mal mit dem Vorstand eines anderen Unternehmens in geschäftlichen Kontakt tritt, sieht sich zuvor wohl auch den Aktienchart von dessen Gesellschaft an; und dieser beginnt bekanntermaßen mit dem ersten Aktienkurs. Es wäre doch wohl sehr peinlich, wenn der Kurs wegen überzogener Preisvorstellungen erst einmal auf Talfahrt ginge. Aber wenigstens hat der Emittent dann das Maximum für sich herausgeholt…

Dieser Beitrag ist auch im GoingPublic Magazin 12/2003nachzulesen.

Autor/Autorin