In Süddeutschland steuern die Autofahrer in den Grenzgebieten die Zapfsäulen in Österreich oder der Schweiz an, und im Osten von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern sind die Tankstellen in Polen und Tschechien sehr beliebt. Der Bundesverband der Freien Tankstellen (bft) bezifferte die jährlichen Steuerausfälle auf 600 Mio. Euro, dies aber vor der EU-Erweiterung. Jetzt, durch wesentlich erleichterte Grenzübertritte, hat der Tanktourismus stark zugelegt. Neuere Untersuchungen gehen von etwa 1,3 Mrd. Euro entgangener Steuern (Mineralöl-; Öko- und Mehrwertsteuer) aus.

Das scheint noch eher zu niedrig gegriffen. Allein die Schweiz beziffert in einer Untersuchung des Finanzministeriums die Mehreinnahmen durch Tanktourismus aus Deutschland auf etwa 500 Mio. CHF. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will es nun genau wissen und hat in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung unter anderem begehrt, den exakten Ausfallbetrag zu erfahren. Mittlerweile hält der bft die Summe von bis zu 2 Mrd. Euro nicht für übertrieben.

Denn es bleibt nicht nur beim Tanktourismus. Die Ausflüge in den Süden oder Osten werden auch genutzt, um sich mit Tabak oder Spirituosen sowie weiteren Waren einzudecken. Auch hier gehen dem Staat namhafte Beträge durch die Lappen. Von der verheerenden Auswirkung auf die Infrastruktur der bundesdeutschen Grenzgebiete ganz zu schweigen: Dutzende Tankstellen haben bereits geschlossen, der Einzelhandel dünnt aus.

Die Bundesregierung hat der Entwicklungshilfe auf Rädern bislang tatenlos zugeschaut, obwohl die Summen, um die es geht, durchaus nennenswert sind. Es wird auf das EU-Recht verwiesen, das keinen Handlungsspielraum lasse. Immerhin soll nun ein „Runder Tisch“ einberufen werden, um vielleicht doch zu einer Lösung zu gelangen. Die freilich müßte schnell kommen, denn den Tankstellen-Pächtern entlang der Grenzen steht das Benzin bis zum Hals, sozusagen.

Natürlich gibt es auch Profiteure der Situation: Die polnische KPN Orlen und die österreichische ÖMV, zwei börsennotierte Mineralölkonzerne der zweiten Reihe, sind in den Grenzgebieten stark vertreten und  machen derzeit an ihren Stationen und in den Shops Traumumsätze. Das dürfte sich in den kommenden Zahlen durchaus niederschlagen, denn es wird von Umsatzsteigerungen von 100 % und mehr berichtet.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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