Es ist lange, lange Zeit her, dass mir eine so verfestigte Marktstimmung begegnet ist wie jetzt. Überall sehe, höre und lese ich nur Skepsis. Die Märkte werden auf jeden Fall noch weiter fallen, bevor sie dann vielleicht irgendwann wieder einmal steigen können. Das ist mittlerweile wohl die Konsensmeinung. Und dann beginnt jetzt auch noch der September, der statistisch schlechteste Börsenmonat des Jahres. Ach je. Und danach kommt der Oktober, in dem wir schon so oft Crashs erleben mussten. Oh weh.

Wie erfrischend ist es dagegen, in meinem liebsten Börsenbrief „Steffens Daily“, den man sogar kostenfrei beziehen kann, das Folgende zu lesen: „Wenn die Märkte in Panik verfallen, sollte man bullish werden“, schreibt hier der Chefredakteur, Jochen Steffens. „Es ist aber auch schwer. Wie soll man sich Gedanken über bullishe Szenarien machen, wenn man überall etwas von Bankenkrise, wirtschaftlichem Abschwung, Rezession, Inflation, hohem Ölpreis etc zu lesen bekommt?“

Was ist also das abwegigste Szenario, dass man sich zurzeit vorstellen kann?, fragt Steffens. Mit welchem Börsenverlauf rechnet wirklich niemand? Die Antwort lautet: Dass der Dax bald die 10.000 Punkte Marke knacken könnte! Würde man sich also niemals trauen, eine solche These vor Ihren Mitstreitern zu vertreten, dann ist es perfekt. Dann ist man der perfekte Kontra-Investor, für den es gilt, tausend Gründe zu finden, warum der Dax auf gar keinen Fall über 10.000 Punkte steigen kann. Und sie anschließend abzuarbeiten und aus dem gesamten Datenkranz unter Beimischung der eigenen Einschätzungen eine Abwägung vorzunehmen.

Natürlich ist das kein Plädoyer, in jedem Fall gegen die herrschende Meinung zu agieren. Natürlich gibt es Risiken und Unwägbarkeiten, doch die gab es immer und wird es immer wieder geben. Die Faktenlage ist gemischt – und das ist ebenfalls wie immer. Ich persönlich rechne nicht mehr mit einem Crash. Ich denke, dass die Investoren, die skeptisch sind, sich bereits abgesichert oder verkauft haben. Denn der schlechten Nachrichten haben wir ja nun wirklich genug. Es kann natürlich noch ein Paukenschlag kommen, doch wenn das passiert, ist der Markt sicherlich völlig befreit.

Und man sollte in keinem Fall vergessen, welche steuerrechtliche Änderung zum Jahresende auf uns wartet. Wer in diesem Jahr noch kauft, darf seine Investments (nach einem Jahr) auf Lebenszeit (!) steuerfrei wieder auflösen. Wer jedoch erst später kauft, zahlt auf alle Erträge 25 Prozent Abgeltungssteuer. Und für 25 Prozent muss eine alte Frau lange Zeit stricken. Man sollte jedoch bei allen Investments jetzt darauf achten, nur Dinge zu kaufen, die sich auch über Jahre und Jahrzehnte halten lassen. Also am besten einen gemischten Fonds eines Fondsmanagers des eigenen Vertrauens, der auch einmal heraus geht aus den Aktien und Kasse aufbaut. Denn so kann sich auch der Investor steuerfrei von einem Aktienengagement trennen und nachher wieder investiert sein, ohne der neuen Steuer anheim zu fallen.

Aus diesen Gründen rechne ich auch mit einer fulminanten Jahresendrallye am deutschen Aktienmarkt. Konkret: Ich wette, am Jahresende steht der Dax deutlich höher als jetzt, deutlich höher als 6.500 Punkte also. Wer sich jedoch dann erst zum Kaufen entschließt, der wird zu spät dran sein.

Bernd Niquet

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