Prognosebericht und Aktionärsbrief zählen zu den am meisten gelesenen Elementen des Geschäftsberichts, doch so mancher Ausblick blieb bisher vage formuliert. Viele Vorstände trieb dabei die (verständliche) Sorge um, der Kapitalmarkt könnte eventuelle Fehleinschätzungen später übel nehmen. Doch die Neuregelungen zur Konzernlageberichterstattung im Rahmen des DRS 20 verringern den Spielraum für Ausweichmanöver.

Der neue Rechnungslegungsstandard DRS 20 ersetzt die bisherigen Regelungen zur Konzernlageberichterstattung (DRS 15). Er ist erstmals für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2012 beginnen, und betrifft auch den Lagebericht des Einzelabschlusses. Relevante Auswirkungen hat dies vor allem für den Prognosebericht.

Aus zwei mach ein
Eine eher angenehme Neuerung aus Unternehmenssicht: Der Prognosezeitraum von bisher „mindestens“ zwei Jahren wurde auf ein Jahr verkürzt. Auch wenn längerfristige Prognosen im Interesse langfristig orientierter Anleger sind und manches Geschäftsmodell das sogar hergibt: In der Praxis blieben die Aussagen zum zweiten Geschäftsjahr oft nichtssagend. Auf diese Fingerübung werden die meisten Unternehmen gern verzichten. Auch Prognosen für einzelne Segmente sind unter DRS 20 nur noch dann erforderlich, wenn die voraussichtliche Entwicklung eines Bereichs von der erwarteten Entwicklung des Konzerns abweicht.

Rein komparative Angaben stellen künftig einen Regelverstoß dar
Auf der anderen Seite haben es die neuen Anforderungen des DRS 20 in sich. Zunächst wurde der Prognose-Gegenstand erweitert: Prognosen müssen sich nunmehr auf „die bedeutsamsten“ Leistungsindikatoren beziehen. Gibt diese Formulierung den Unternehmen noch einen gewissen individuellen Spielraum bei der Auswahl der Indikatoren, wird es bei der Art der Prognosen zusehends enger: Rein vergleichende Angaben stellen künftig einen klaren Regelverstoß dar. Stattdessen verlangt das neue Regelwerk: „Richtung und Intensität der Prognose sind künftig in Form von Punkt-, Intervall- oder qualifiziert-komparativen Prognosen abzugeben.“

Manches spricht für die (von vielen Unternehmen auch bereits favorisierte) Intervall-Prognose, d.h. die Angabe von Bandbreiten. Vorausgesetzt, diese sind nicht wiederum zu breit gefasst, ist dies ein naheliegender Kompromiss zwischen der notwendigen Steuerung der Erwartungen des Kapitalmarkts und der Gewährung eines gewissen Spielraums bei der Zielrealisierung.

„Leichte“ Vagheit
Ein eher fraglicher Beitrag des DRS 20 zu mehr Transparenz ist die Zulassung von „qualifiziert-komparativen“ Prognosen, also Angaben einer Veränderung im Vergleich zum Ist-Wert nebst Beschreibung der „Qualität“ dieser Veränderung. Ein Beispiel für eine solche Formulierung wäre etwa die Erwartung eines „leicht steigenden“ Umsatzes. Was aber heißt nun „leicht“?

Wie qualifiziert-komparative Prognosen gelesen werden, hängt u.a. ab von der Unternehmenshistorie und dem Branchenkontext. Letztlich liegt es aber im Auge des Betrachters, wie auch eine kurze Umfrage unter Wirtschaftsprüfern und IR-Managern ergab. Der DRS 20 nennt nur vier Formulierungsbeispiele (geringfügig, leicht, erheblich und stark). Doch so oder so bleibt Raum für Spekulationen. Unternehmen sollten sich gut überlegen, ob sie mit dieser Form der Prognose einen wesentlichen Teil ihres Erwartungsmanagements an ihre Informationsempfänger delegieren wollen.

Besondere Umstände?
Worauf man nicht unbedingt setzen sollte, ist die in DRS 20 formulierte Einschränkung, wonach bei „außergewöhnlich hoher Unsicherheit aufgrund gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen“ auch nur komparative Prognosen oder Szenario-Darstellungen erlaubt sind. Dass unsichere Konjunkturaussichten als solche „besonderen Umstände“ durchgehen, ist eher unwahrscheinlich – damit hatten einzelne Unternehmen schon im Zuge der Finanzkrise versucht, ihre fehlenden Angaben im Ausblick zur rechtfertigen und kassierten prompt Rügen von der BaFin und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung.

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ – das bekannte Bonmot von Karl Valentin bringt die Herausforderung auf den Punkt. Andererseits erstellt jedes Unternehmen genaue Pläne für das kommende Geschäftsjahr und trifft dabei selbstverständlich konkrete Annahmen. Je transparenter auch die entsprechenden Annahmen gemacht werden, umso nachvollziehbarer werden die Pläne – ebenso wie später möglicherweise einmal notwendige Korrekturen.

Tabellen DRS 20
Fazit

Aus Anlegersicht gäbe es durchaus noch Optimierungsbedarf, doch mit den neuen Regelungen des DRS 20 steigt der Druck auf die Unternehmen, im Ausblick Farbe zu bekennen. Das dürfte für so manchen Vorstand und IR-Manager eine Herausforderung sein, ist aber auch eine Chance für einen Neuanfang beim Management der Erwartungen ihrer Anteilseigner.

Regine Petzsch ist Managing Partner bei Finance Advice (Advice Partners GmbH), Stephan Lüke Partner der lüke müll GmbH.

Der Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin, Sonderbeilage Geschäftsberichte & Trends.

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