Es kommt vor, dass eine in Brüssel erklärte Einigkeit von zurückgekehrten Politikern in ihren Heimatländern im Anschluss anders darstellt und aufgeweicht wird.
Hannes Roither, Head of Investor Relations & Corporate Communications, Palfinger AG

Früher war alles anders – und einfacher. Denn früher gab es Wachstum auf breiter Front, und „Wohlstand für Alle“ wurde nur von wenigen Querdenkern in Frage gestellt. Es gab „Emerging Markets“, die von europäischen, amerikanischen und japanischen Unternehmen bearbeitet wurden, und bis zum Sommer des Jahres 2008 konnte man sich seine Veranlagung danach aussuchen, ob man als Wachstumstreiber auf den lateinamerikanischen Markt, die BRIC-Staaten, Osteuropa, die Türkei mit ihrem Einflussgebiet im Süden der ehemaligen Sowjetunion, die arabischen Golfstaaten oder auf asiatische Tigerländer setzte. Zuhause bei uns in Europa gab es immer genug zu essen und für viele von uns gab es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass wir der Mittelpunkt der Welt sind.

Dann kam die erste Finanzkrise, Lehman, ein paar Quartale Rezession, ein wunderbarer Rebound und dann die zweite, schreckliche Finanzkrise, diese schleichende Griechenland- und Staatsschuldenkrise, die dazu führte, dass die Politik wieder stark in den Mittelpunkt rückte, aber anders als 2008 nicht als Retter, der rasch Lösungen für Banken erfindet, sondern diesmal als scheinbarer Mitverursacher oder jedenfalls Verstärker der Vertrauenskrise, in der wir uns seit der ersten Finanzkrise permanent befinden. Die Politik hat negativen Einfluss auf die Wirtschaft und auf die Märkte, sagt man.

Von der Politik – also den gesellschaftlichen Gestaltungskräften – gehen also Impulse auf die Unternehmen und die Kapitalmärkte aus, die als negativ empfunden werden. Diese Impulse sind nicht wie erhofft „die neuen Rahmenbedingungen“ für die kommenden Jahrzehnte, sondern werden als Störung der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung betrachtet. Denn den meisten Unternehmen, die Investorenkontakte pflegen (und so den Markt darstellen), geht es gut, den Menschen, die Arbeit haben, geht es gut und den Investoren, die über Veranlagungen entscheiden, geht es auch gut. Nur die Politik in Europa stört die Märkte. Höre ich. Lese ich. Sagt man allerorten.

Von der These zur Praxis – der alltägliche Umgang

Gerade die Maschinenbauindustrie, zu der auch die Palfinger AG zählt, wurde von der Krise unmittelbar und hart getroffen. Nur umsichtige Maßnahmen seitens des Unternehmensmanagements konnten hier Stabilität auf dem Markt schaffen. Aber obwohl viele Unternehmen gegenlenken konnten und wieder gut dastehen, stört die kurze Visibilität auf die zukünftigen Ergebnisse ein wenig. Und das hat mit der Politik zu tun.

In dieser Situation bekommen IR-Manager eine neue, zusätzliche Aufgabe. In Investorengesprächen wird nicht mehr nur die Wachstumsstrategie erklärt und wie diese umgesetzt wird. IR-Verantwortliche erklären nicht nur den strategischen Eckpfeiler Flexibilisierung und durch welche Maßnahmen sie erreicht und jetzt gesichert wird, sondern sie erklären außerhalb Europas den Investoren, wie europäische Politik im Inneren funktioniert. Sie machen deutlich, warum beim Gipfel in Brüssel Einigkeit herrscht, warum am Tag danach die aus Brüssel zurückgekehrten Politiker in ihren Heimatländern den Medien wiederum etwas anderes erzählen

und die beschlossene Linie aufgeweicht wird. Sie müssen erzählen, warum Landtagswahlen in einem deutschen Bundesland Auswirkungen auf die Euro-Währungspolitik haben können, und sie legen dar, in welchem tatsächlichen Ausmaß die reale Wirtschaft im Berührungskreis unserer Stakeholder von diesen Beschlüssen oder Nicht-Beschlüssen betroffen ist. Und sie suchen manchmal verlegen höfliche Antworten auf die Frage amerikanischer oder asiatischer Investoren, warum man nicht stärker auf die Politik einwirkt, um sie stabiler zu machen.

Diplomatie und Optimismus

Diese neue, zusätzliche Aufgabe, der sich IR-Verantwortliche stellen müssen, um erfolgreich zu sein, erfodert viel Fingerspitzengefühl. Es sind ja unsere politischen Vertreter, deren Verhalten wir IR-Manager erklären müssen. Es sind ja die Rahmenbedingungen unserer Demokratie, deren Auswirkungen auf Big Business wir beschreiben. Dabei müssen wir vermeiden, Schuld an Misserfolgen auf die Politik zu schieben.

Zusätzlich ist es also die Aufgabe der IR, realistischen Optimismus zu verbreiten. Es geht um Zuversicht – nicht nur die unternehmensbezogene Zukunft betreffend, sondern auch um die Zuversicht, dass es für die aktuellen und strukturellen Probleme in Europa eine Lösung geben wird, die die Wiederkehr stabilerer Rahmenbedingungen für einen Großteil der europäischen wirtschaftstreibenden Bevölkerung ermöglicht.

Ausblick

Investor-Relations-Kommunikation hat – und dazu stehe ich – über die zahlenorientierte betriebswirtschaftliche Komponente eine gesellschaftliche Dimension dazugewonnen, und IR-Manager sollten dies nicht als Belastung, sondern als Bereicherung ihrer beruflichen Tätigkeit sehen.

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