Man kann die Wirtschaftsnachrichten wälzen wie man will: So eine richtige Inflation oder zumindest die heraufziehende Gefahr, ist so recht nicht auszumachen. Obwohl die Wirtschaft wächst und Rohstoffe sowie vor allem Energie sich stark verteuert haben, stieg die Inflation im Euroraum nur knapp über die zwei Prozent. In der Bundesrepublik erreichte sie im Juli in der Spitze exakt 2,0 Prozent, wobei die Statistiker ausrechneten, dass die Rate ohne Energie bei 1,1 Prozent gelegen hätte. Aktuell verharrt die Geldentwertung im gesamten Euroraum bei 1,9 Prozent. So jedenfalls lautet die Vorausberechnung von Eurostat für den Januar 2007. Wer also hat Angst vor der Inflation?

Die Globalisierung hat hierzulande kein besonders gutes Image, obwohl ihre prinzipiell inflationsdämpfende Wirkung unbestritten ist. Nichts deutet im Moment darauf hin, dass sich dies abschwächen könnte. Auch morgen werden wir unser T-shirt aus China, die Schuhe aus Vietnam und die billigen Shrimps aus Thailand beziehen. Selbst wenn es nun wie zu erwarten zu deutlich höheren Lohnabschlüssen kommt erwächst daraus keine Gefahr für die Stabilität der Preise. Schon jetzt ist mehr als genug Kaufkraft vorhanden. Und außerdem hinkt die Binnenkonjunktur ohnehin noch hinterher. In einen solchen Kaufrausch, dass allein durch Nachfrage die Inflation angeheizt wird, können die deutschen und europäischen Konsumenten gar nicht fallen. Dank moderner Produktionstechnik und –steuerung können die Unternehmen heutzutage ihren Output stark skalieren. Der Faktor Arbeitskräfte spielt dabei, aus Sicht der Arbeitssuchenden leider, nurmehr eine nachrangige Rolle. Steigende Unternehmensgewinne speisen sich also zuvorderst aus gesteigerter Produktion, nicht aus gestiegenen Preisen.

Der einzige positive Nebeneffekt einer Zinserhöhung wäre, dass dadurch den Hedge-Fonds an der Marge geknabbert würde, weil Investitionen auf Pump weniger attraktiv und das Aufladen von Schulden auf Unternehmen risikoreicher werden. Das aber ist bei allem politischen Willen nicht Aufgabe der EZB. Und die Ertragslage der Banken ist auch nicht so prekär, dass sie auf eine weitere Erhöhung der Zinsmarge angewiesen wären.

Also: Bei der Abwägung zwischen der Befeuerung des Wirtschaftswachstums und der Eindämmung von Inflation scheint die 3,5 derzeit doch ein guter Kompromiss zu sein. Eine Erhöhung im März bringt für das Wirtschaftswachstum mehr Gefahren als es bei der Bekämpfung der ohnehin geringen Inflation nutzt. Statt als Lordsiegelbewahrer der 2,0 sollte die EZB das Motto Vorfahrt für Wachstum ausrufen.

Stefan Preuß

Autor/Autorin