Die schöne neue Welt eines rein virtuellen, rohstofffreien Wachstums erwies sich mit dem Zusammenbruch der ersten Internetblase als Trugbild. Bis auf weiteres werden auch „moderne“ Menschen Nahrungsmittel und Energie verbrauchen.

Auch? Nein, gerade moderne Menschen verbrauchen Energie in Hülle und Fülle. Und wenn heute der chinesische Energiehunger als Ursache für die Preissteigerungen in diesem Bereich angesehen wird, dann ist das nur der oberflächlich sichtbare Teil der Wahrheit. Der Westen selbst huldigt einem auf Bequemlichkeit und Energieverbrauch programmierten Lebensstil und tut sich einigermaßen schwer, den aufstrebenden Wirtschaften Asiens nun glaubwürdig Sparsamkeit predigen zu wollen, während er sich selbst mit Energie buchstäblich vollaufen läßt. Kennen wir nicht auch Eltern, die mit einem dieser so in Mode gekommenen spritfressenden Pseudo-Geländewagenmonster über bestens ausgebaute Straßen ins Büro kurven, während sie – zu Recht vergeblich – ihre Sprößlinge zu einem sorgsameren Umgang mit Wasser und Strom anzuhalten versuchen? Wein trinken und Wasser predigen, war noch nie besonders überzeugend.

Erinnert sich eigentlich noch jemand an diese Kampagne anläßlich der Ölkrisen der 1970er Jahre? Für meine Generation der Babyboomer – das klingt besser als Mittvierziger – waren die beiden großen Ölkrisen durchaus prägende Erfahrungen, und eigentlich wundert man sich fast ein wenig, daß auch ein Vierteljahrhundert später noch immer Öl vorhanden ist. Erzählen wir unseren Kindern von autofreien Sonntagen und Schlangen an den Tankstellen, dann scheint das für sie so schaurig entfernt zu klingen wie einst die Kriegserlebnisse unserer Altvorderen für uns. Das Bewußtsein für die Begrenztheit unserer Ressourcen, die so prägend für unseren Lebensstil sind, schien tatsächlich schon mal ausgeprägter: Wenn uns heute Teenager mit ernster Mine von den Vorzügen einer „Standby“-Schaltung zu berichten wissen, dann haben Industrie und Werbung wohl ganze Arbeit geleistet. Nie sind sie ihrem Ideal, eine auf Bequemlichkeit bedachte, gedankenlos konsumierende (neudeutsch: „shoppende“) Schafherde heranzuziehen, näher gekommen. Daß den Betroffenen, die zum Teil sehr ungeübt darin sind, Frustrationen auszuhalten, aller Voraussicht nach ein schmerzhafter Umlernprozeß bevorsteht, schert die kurzfristigen Gewinnmaximierer wenig.

Aus Sicht eines rohstoffarmen Landes, das die beschriebenen Dekadenzerscheinungen aufweist, erscheint es einigermaßen besorgniserregend, daß Rohstoffe auch künftig tendenziell dorthin fließen werden, wo sie entweder besonders günstig oder in besonders hoher Qualität veredelt werden. Bislang waren wir einer der Hauptprofiteure dieses Phänomens, aber unsere Rolle schwindet. Es ist aber erst diese Leistung, die dann auch die eine oder andere verschwenderische Eskapade erlaubt. Ungebremste Verschwendung bei bröckelnder Produktionsbasis ist kein Zukunftsmodell.

Ralph Malisch

Dieser Beitrag erschien auch im Smart Investor Magazin 3/2006 (www.smartinvestor.de).

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

 

Autor/Autorin