Ungeachtet aller Rahmenbedingungen, die von den Finanzvorständen und GmbH-Geschäftsführern nicht zu verantworten sind, ist auch eindeutig zu erkennen, daß einige Finanzierungsmodelle überhaupt nicht genutzt oder sträflich vernachlässigt werden. Dies gilt insbesondere für größere Unternehmen, die kapitalmarktfähig wären.

In den letzten ein bis zwei Jahren war ein deutlicher Anstieg bei der Emission von Corporate Bonds zu verzeichnen, die bei den Anlegern gerade infolge der Aktienbaisse zunehmend an Beliebtheit gewonnen haben. Dabei wird von den Emittenten fast nur der Investment Grade-Bereich genutzt. Höher verzinsliche Anleihen, die vermutlich für viele Anleger interessant wären und für viele Emittenten in Frage kämen, werden jedoch kaum emittiert. Mitten im Corporate Bond-Boom gibt es in ganz Europa gerade einmal etwa 100 Emittenten im High Yield-Bereich. Vor einigen Jahren war die Zahl sogar noch weitaus geringer. Verglichen mit den ca. 1.200 Emittenten in den USA ist die Zahl weiterhin sehr bescheiden. Sehr erschreckend ist jedoch die Erkenntnis, daß in Europa die Zahl der Emittenten nicht dadurch stark angestiegen ist, daß neue Emittenten hinzukamen, sondern die vorhandenen in den High Yield-Bereich abgerutscht sind!

Auch bei den Genußscheinen sind keine großen Anstrengungen von Finanzvorständen zu erkennen, ihre Eigenkapitalbasis auszuweiten. Auch Banken und Berater scheinen an der Emission von Genußscheinen nicht sonderlich interessiert zu sein. Statt dessen ist der Begriff „Mezzanine“ in aller Munde. Doch wer sich die Finanzierungskosten von Bonds und Genußscheinen auf der einen und von Mezzanine-Finanzierungen auf der anderen Seite ansieht, wird sehr schnell merken, daß am deutschen Kapitalmarkt (für den Investor) ein vollkommen absurdes „Renditeloch“ von rund 10 % existiert. Denn während kaum High Yield-Bonds mit einer Verzinsung von über 5 % emittiert werden, wird fleißigst Mezzanine-Kapital nachgefragt, dessen Gesamtkosten – je nach Ausgestaltung – bei mindestens 15 % liegen. In diesem „Renditeloch“ zwischen 5 und 15 % tummeln sich – von einigen Ausnahmen abgesehen – fast nur Unternehmen aus dem sogenannten „grauen Kapitalmarkt“.

Wenn ein solch großer Zinsbereich am deutschen Kapitalmarkt von Emittenten und deren Beratern praktisch nicht ausgeschöpft wird, muß man sich über die vorhandenen Finanzierungsprobleme kaum wundern. Sicherlich bietet sich der Kapitalmarktzugang in diesem Bereich nicht für kleinere Unternehmen oder Mittelständler an, doch einige Großunternehmen sollten durchaus innovativere Finanzierungsmodelle in ihre Überlegungen miteinbeziehen. Hierzu muß selbstverständlich auch die Erkenntnis gehören, daß eigenkapitalähnliche Genußscheinemissionen auch bei Unternehmen mit guter Bonität „angemessen“ verzinst werden müssen. Dabei dürfte die Verzinsung realistischerweise die von Mezzanine-Kapital nicht um mehr als 5 % drastisch unterschreiten. Zuvor wäre jedoch eine Standardisierung von Genußscheinen dringend erforderlich, damit auch Privatanleger sich einen raschen Einblick über die Ausgestaltung machen können.

Dieser Beitrag ist auch im aktuellen GoingPublic Magazin 11/2003 erschienen.

Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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