Investoren lieben Planungssicherheit, und sie verabscheuen schleichenden Verfall ihrer Vermögensteile sowie jede Form von Zufälligkeiten. Nun ist es kein Geheimnis, daß sich in Deutschland die Wegnahme durch den Einsatz jedweder mehr oder minder subtiler oder offensichtlicher Methoden fast zur Perfektion weiterentwickelt hat. Wenig bis nichts bleibt unangetastet: Gewinnbesteuerung (Minderung von Veräußerungsgewinnen), Vermögensbesteuerung (Attacke auf den Besitz) und Einkommensbesteuerung (Angriff auf die Nutzung) sind die gängigsten Methodika. Freilich unterscheiden sich die Instrumente von Regierung zu Regierung, aber das ist nur Kosmetik.

Auch wenn die Vereinigten Staaten in Bezug auf ihre Steuerpolitik oftmals als Vorzeigeobjekt in Sachen Liberalität herhalten müssen, so schleicht auch dort eine fast unsichtbare Enteignung voran. Sie macht dem Nimbus der unbegrenzten Möglichkeiten alle Ehre. Die Rechtspraxis sucht ihresgleichen, und, um es vorweg zu nehmen, mit einer offenen Gesellschaft verträgt sie sich schon längst nicht mehr. Doch das mit der offenen Gesellschaft scheint auch schon Vergangenheit.

Das US-Rechtssystem ist zu einem Konstrukt systematischer Erpressungsmöglichkeiten mutiert. Unter der Androhung absurder Klagesummen können Eigentümer so weit eingeschüchtert werden, daß sich hohe Beträge allein durch Vergleiche freipressen lassen. Das Resultat ist ein von unfaßbarer Willkür geprägtes System, in dem Besitz im ureigensten Sinne eben nicht mehr „sicher“ ist. Die US-Wirtschaft hat somit eine bestimmte Art von Sondersteuer zu schultern, die vor allem eines ist: völlig unvorhersehbar. Hier schließt sich der Kreis für Investoren, denn Zufälligkeiten sind der Gegenpol von Planungssicherheit.

Deutschland ist für Investoren ein im wahrsten Sinne rotes Tuch geworden. Doch das erodierende Vertrauen in den US-Kapitalmarkt (auch hier variiert der Grad unter Einfluß der jeweiligen Regierung) wird auch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten weiter gängeln. Wer also auf den jeweils anderen oberlehrerhaft mit dem Finger zeigt, sollte erst einmal seine eigenen Hausaufgaben angehen.

Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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