Getrieben von der Erwartung auf durchschlagende Forschungsergebnisse, in erster Linie bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms, sahen vor allem die Biotechnologiewerte, die in irgendeiner Weise mit der Gentechnik zu tun hatten, kaum nachzuvollziehende Kursanstiege. Daß die meisten derartigen Unternehmen selbst im positivsten Falle noch Jahre, vielleicht sogar ein volles Jahrzehnt von der Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse in reale Einkünfte entfernt sein würden, ist größtenteils blindlings beiseite geschoben worden.

Bereits Anfang des letzten Jahrzehnts wurde schon einmal der Boom der Biotechnologie ausgerufen. Da der Stand der Forschung zum damaligen Zeitpunkt in keiner Weise mit dem heutigen zu vergleichen war, brach das Fundament mangels Perspektiven bei den Investoren relativ schnell wieder in sich zusammen. Das für kurze Zeit positive Sentiment im Biotechnologie-Sektor konnte sich nicht lange halten und verflüchtigte sich ebenso schnell wieder, wie es aufgetaucht war.

Heute aber ist die Genforschung der Schlüssel zu Medikamententwicklungen der Zukunft. Das größte Risiko liegt derweil aber noch ganz woanders: in der Gesetzgebung. Gerade die Ankündigung von Tony Blair und Bill Clinton im März, (einen Teil der) Forschungsergebnisse der Gentechnologie öffentlich zugänglich zu machen und nicht den Patentrechten der einzelnen Firmen zu überlassen, leitete die Trendwende im allzu sorglosen Umgang mit den Biotechnologiewerten ein.

Um noch größeren Schaden zu vermeiden, wurden die diesbezüglichen Pläne schnell wieder relativiert. Schließlich ist es im Interesse der Regierungsstellen, einerseits Leben zu retten und andererseits nicht den Fortgang der Forschungen durch Regulatorien auszubremsen.

Das US-Unternehmen Celera Genomics hatte Ende März – sehr publicitywirksam – die fast vollständige Entschlüsselung des menschlichen Erbguts verkündet und zugesagt, daß man das Ganze noch in diesem Jahr präsentieren könne. Der Aktienkurs von Celera explodierte daraufhin auf das Dreifache, wurde aber durch die Blair-Clinton-Rede wieder auf den Boden zurückgeholt. Inzwischen steht der Kurs wieder dort, wo er sich bereits vor dem spektakulären Outing befunden hatte. Darüber hinaus kam unter Experten ein Dissens auf, was unter der „vollständigen“ Entschlüsselung eigentlich genau zu verstehen sei. Auch diese nach außen mißgünstig wirkende Debatte trug nicht gerade zu einem Imagegewinn der Biotechs bei und nährte statt dessen unter mittlerweile besorgten Aktienanlegern die Befürchtung, daß man vielleicht doch etwas weiter von handfesten, sprich finanziellen Auswirkungen der Forschungen auf die Unternehmen entfernt sein könnte, als sich in den Kursen der Aktien widerspiegelte.

Mehr denn je ist es also angesagt, die Spreu vom Weizen zu trennen. Selbst Profis können die Aussichten einzelner Biotechnologieunternehmen aufgrund der teilweise sehr komplexen Materie nur schwer einschätzen, wie die vielen völlig gegensätzlichen Studien zu ein und demselben Wert belegen. Nach der Halbierung des Nasdaq-Biotechnologie-Index sind die Kurse zwar deutlich zurückgekommen, aber immer noch extrem hoch im Vergleich zum Stand vor einem Jahr. Wie viele der mit viel Vorschußlorbeeren ausgestatteten Biotechs überleben werden oder auch nur jemals Gewinne aus den Forschungen werden generieren können, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar. Aus diesem Grunde sollte man auch im Biotechnologie-Sektor versuchen, Realität und Fiktion – soweit das möglich ist – voneinander zu trennen.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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