Nun sollte man im Prinzip annehmen können, daß sich diese drei Mega-Emissionen quasi zum Selbstläufer entwickeln: So sollte man meinen, daß Unternehmen in dieser Größenordnung so viel Seriosität bzw. Feingefühl besitzen, um eine Emissionsbewertung zu finden, die auch nach der Plazierung noch genügend Spielraum für weitere Kurssteigerungen läßt. Weiterhin könnte man versucht sein zu denken, daß speziell bei diesen Emissionen ein hohes Interesse der institutionellen Anleger für eine positive Kurs-Performance sorgt. Fonds, die sich an der Indexzusammenstellung des NEMAX orientieren, sind schließlich mehr oder weniger gezwungen, die neuen Schwergewichte ungeachtet einer eventuell nicht eben günstigen Bewertung zu kaufen, nur um die Indexverteilung in angemessener Weise wiedergeben zu können.

Aber weit gefehlt. Keines der drei genannten Unternehmen hat seinen Anlegern bisher große Freude bereiten können. Woran das lag? Nun, beginnen wir mit Lycos Europe. Wie mittlerweile bekannt sein dürfte, hat es der Ableger der amerikanischen Lycos, Inc. mit einem starken Branding und einer geschickt verkauften Equity Story geschafft, bei den geblendeten Aktionären mit einem 2001er KUV von 69 eine auch für den Neuen Markt wirklich enorme Emissionsbewertung durchzusetzen. Was das für den weiteren Kursverlauf bedeutete, kann an jedem Chart abgelesen werden. Zu 24 Euro emittiert, kannte der Kurs im folgenden nur eine Richtung, und die lautete „Abwärts“. Mittlerweile scheint der Kurs seinen Boden gefunden zu haben – bei 10 Euro. Abzocke von Unternehmen und Konsortialbanken – wer würde so etwas vermuten? Freudig sprach Konsortialführer Deutsche Bank deshalb kürzlich eine Kaufempfehlung aus. Ob sich ein paar Dumme finden werden?

Wenig besser sieht es bei Ron Sommers Liebling T-Online aus. Die Tochtergesellschaft des deutschen Ex-Monopolisten Deutsche Telekom wurde Mitte April zu 27 Euro emittiert. Auf dieser Basis war auch der deutsche Vorzeige-ISP kein Schnäppchen mehr, aber dennoch konnten auch hier durch ein kräftiges Rühren der Werbetrommel genügend Kleinanleger mobilisiert werden, um den Kurs zumindest für kurze Zeit nach oben zu treiben. Auch viele Institutionelle Investoren verhalfen mit Anschlußkäufen dem Kurs zu einer vorerst positiven Performance. Doch der Himmel verdunkelte sich schnell. Der harte Preiswettbewerb im Internetzugangsbereich sowie eine eingetrübte Stimmung für Telcos im allgemeinen sorgten dafür, daß der Kurs in die Knie ging. Nicht zu vergessen die Querelen im Vorstand. Nach dem überraschenden Rücktritt des T-Online-CEO Wolfgang Keuntje nahm schließlich auch Finanzvorstand Christian Hoening den Hut. Zwar kann über die wahren Gründe nur spekuliert werden, fest steht allerdings, daß Ron Sommers autoritärer Führungsstil nicht überall auf Gegenliebe gestoßen sein dürfte.

Bei der Commerzbank-Tochter comdirect muß zwar kein Anleger Verluste beklagen, aber genauso wenig Grund gibt es zum Jubeln. Der Kurs bewegt sich seit dem IPO mit einer hohen Volatilität um den Ausgabepreis von 31 Euro seitwärts, wobei dieser die untere Begrenzung markiert. Hauptursache für diese wenig erfreuliche Entwicklung dürfte auch hier das Emissions-Pricing sein, denn als die comdirect-Aktien an die Börse kamen, befand sich der Gesamtmarkt mitten in der schönsten Baisse. So kam es, daß die Peer Group aus ConSors und Direkt Anlage Bank binnen weniger Tage nicht mehr teurer, sondern um einige Prozent billiger war und sich ein wichtiges Argument für ein Investment in comdirect in Luft aufgelöst hatte.

Die weitere Entwicklung von T-Online, Comdirect und Lycos Europe bleibt abzuwarten. Eine Outperformance scheint bei keinem der drei Unternehmen sehr wahrscheinlich, aber zumindest T-Online und comdirect dürften von einer sich aufbessernden Marktstimmung profitieren – Lycos hingegen bleibt ein Investment mit hohem Risiko.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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