Richtig ist, daß am Neuen Markt notierte Unternehmen der Verpflichtung unterliegen, kursbeeinflussende Nachrichten umgehend in einer Ad hoc-Mitteilung bekanntzugeben. Nicht richtig ist dagegen, daß es sich hierbei um eine kostenlose Form der Eigenwerbung handelt, die vor allem vielen kleineren Firmen dazu dient, die Marketingausgaben zu senken. Bereits im Frühjahr monierte das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel unter anderem eingefügte Firmenprofile, Zitate von Funktionären und sogar Seitenhiebe auf die Konkurrenz. Als durchschnittliche Länge einer Ad hoc-Mitteilung wurden 10 bis 20 Zeilen als ausreichend erachtet. Da es sich aber nur um Richtlinien handelt, sind die Spielräume für die PR-Abteilungen variabel. Und diese gehen oftmals bis an die Schmerzgrenze der Leser.

                                                                        

So meldete die United Labels AG, daß mit EM.TV ein „pan-europäischer Exklusiv-Vertrag über Sesamstraßen-Socken“ abgeschlossen wurde. Künftig werde jede im europäischen Handel erhältliche Sesamstraßen-Socke ausschließlich aus dem Hause United Labels stammen. Wie man weiter erfuhr, wandelt die AG aus Münster viele weltweit bekannte Comic-Figuren „zeitnah in tragbare Bekleidung“  um. Insgesamt erinnerte die gesamte Meldung an einen Beitrag für eine 30minütige Vorabendsendung. Die erst seit einigen Wochen am Neuen Markt notierte Internationalmedia AG ließ es sich nicht nehmen, die Ernennung des Vorstandsvorsitzenden Nigel Sinclair zum Commander of the British Empire durch Königin Elizabeth II als wichtigsten Bestandteil ihrer Ad hoc-Mitteilung zu präsentieren. So interessant das auch sein mag, kursbeeinflussende Relevanz war in dieser Meldung nicht zu entdecken. Die Zahlen für das erste Quartal waren nicht so wichtig – sie folgten erst im letzten Absatz der Nachricht. Kreativität bei der Geschäftsberichterstattung legte auch die Kretztechnik AG, Weltmarktführer im 3D-Ultraschall, an den Tag. Da die Halbjahreszahlen enttäuschend ausfielen, wies man die jüngsten Zahlen einmal mit und einmal abzüglich eines im Vorjahreszeitraum erhaltenen Großauftrages aus. Wenn derartige Rechenspielchen bei der Berichterstattung zulässig sind, ist offenbar tatsächlich Handlungsbedarf gegeben.

Den Mißbrauch der Ad hoc-Meldungen zu unterbinden erscheint nach wie vor schwierig. Die Androhung von Strafen hat nicht gewirkt. Da mittlerweile fast 300 Unternehmen des Neuen Marktes mit Ad hocs herauskommen, von denen viele an den gewünschten Richtlinien vorbeischrammen, kann sich der einzelne recht gut in der Gemeinschaft verstecken. Solange keine drastischen Strafen verhängt werden, sind Ad hocs immer noch die günstigste Form der Unternehmenswerbung. Da keiner der Konkurrenten zurücksteckt, ist der Druck groß, die bisherige, zweifelhafte Praxis beizubehalten. Damit schadet man aber langfristig der gesamten Branche. Die Gefahr ist groß, daß wichtige Meldungen noch schwieriger aus der Flut von Nachrichten herausgefiltert werden können, weil das Interesse beim Durchforsten der Meldungen mehr und mehr schrumpft. An die Einsicht der PR-Experten zu appellieren wäre aber wohl ein wenig zu viel verlangt.

Diesen Artikel finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe 4/2000 der Zeitschrift „Aktienkultur + BVH News“, S. 32.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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