Trotz des erheblichen Wachstums, das die hiesigen Kapitalmärkte in den letzten zwanzig Jahren erlebt haben, bleibt der deutsche Kapitalmarkt im internationalen Vergleich unterentwickelt.

Prof. Dr. Christoph Kaserer
Prof. Dr. Christoph Kaserer

Gemessen an der Größe unserer Volkswirtschaft sind die Aktien- und Anleihemärkte sehr klein. Betrachtet man die sogenannte Kapitalmarkttiefe, also das Verhältnis der Kapitalisierung des Anleihe- und Aktienmarktes (ohne Anleihen der öffentlichen Hand) relativ zum Bruttoinlandsprodukt, zeigt sich, dass im Durchschnitt der Jahre 2001-2011 dieses Verhältnis in Deutschland bei 84% des BIP lag. Das ist nicht nur deutlich unter dem Wert der USA, sondern wir liegen damit auch unter dem EU15- oder dem OECD-Durchschnitt. Genau genommen waren während dieses Zeitraumes die Kapitalmärkte in Japan, den EU15-Ländern, wie auch den OECD-Ländern um mehr als ein Drittel größer als der deutsche Kapitalmarkt.

Deutschland hinkt im OECD-Durchschnitt hinterher

Diese Unterschiede in der Kapitalmarkttiefe resultieren insbesondere aus den unterschiedlichen Größen der Aktienmärkte: Mit einer Tiefe von 70% des BIP  hat das durchschnittliche OECD-Land einen mehr als eineinhalbmal so großen Aktienmarkt wie Deutschland. Zieht man die USA als Vergleichsmaßstab heran, so ist deren Aktienmarkt – entsprechend der hier verwendeten Kennzahl – mehr als zweieinhalb Mal so groß wie der deutsche Aktienmarkt.

Dieses Bild kann auch durch die Betrachtung anderer Größen bestätigt werden. Dies gilt etwa für die Nutzung des Aktienmarktes, empirisch gemessen über die Anzahl börsennotierter Unternehmen je 1  Million Einwohner eines Landes. Mit im Durchschnitt rund 8 börsennotierten Unternehmen je 1 Million Einwohner nutzen deutsche Unternehmen den Aktienmarkt nur rund ein Viertel so stark wie Unternehmen im OECD-Durchschnitt. Entsprechend niedrig ist auch die Zahl der Börsengänge. Hier liegen wir nicht nur schon seit Jahren hinter den angelsächsischen Ländern, sondern fallen auch im Vergleich zu den asiatischen Ländern mehr und mehr zurück.

Altersvorsorgesystem beeinflusst hiesigen Kapitalmarkt

Nun kann man lange darüber diskutieren, wie bedrohlich diese Entwicklung ist und welches ihre Auslöser sind. In diesem Beitrag möchte ich mich lediglich auf einen Aspekt konzentrieren, nämlich auf die Rolle der Altersvorsorge. Die Besonderheiten des Altersvorsorgesystems in Deutschland haben nämlich einen erheblichen Anteil an der oben beschriebenen Entwicklung unseres Kapitalmarktes. Deutschland hat ein im internationalen Vergleich sehr weitreichendes umlagebasiertes Rentensystem. Nur wenige Länder geben gemessen am BIP ähnlich viel Geld für das gesetzliche Rentensystem aus. Nicht zuletzt deshalb ist auch die private Altersvorsorge bei uns weniger stark entwickelt als in vielen anderen Ländern, wobei man fairerweise darauf hinweisen muss, dass sich diesbezüglich in den letzten Jahren sehr viel getan hat.

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