Michael Muders, der einen der renditeträchtigsten Fonds für deutsche Small- und Mid-Caps verwaltet, hat sich schon vor dem IPO für Rocket Internet stark gemacht – zurzeit macht die Start-up-Schmiede knapp 5% seines Portfolios aus. Ein neues Börsensegment für Start-ups, wie in Berlin gefordert, kann er sich gut vorstellen – zumindest für den professionellen Anleger. Auch erwartet Muders, dass in Zukunft wieder mehr junge Unternehmen aus dem Internet- oder Technologiebereich den Gang an die Börse wagen –vorausgesetzt, die Marktsituation bleibt weiterhin gut.

GoingPublic: Warum erhielt der Börsengang von Rocket Internet so viel Gegenwind?
Muders: Sowohl vor als auch nach dem IPO von Rocket Internet war die vorherrschende Meinung, dass das Geschäftsmodell völlig überbewertet sei. Außerdem sei das Unternehmen intransparent, da nur jedes halbe Jahr Ergebnisse veröffentlicht würden. Als der Kurs dann deutlich unter den Ausgabepreis fiel, wurden diese Stimmen noch lauter. Wir haben bereits damals auf die Entwicklung von Facebook verwiesen – dort ist der Kurs nach dem Börsenstart auch erst deutlich unter den Ausgabepreis gefallen und hat sich danach vom Tiefstkurs vervierfacht.

Michael Muders, Portfoliomanagement, Union Investment
Michael Muders, Portfoliomanagement, Union Investment

GoingPublic: Wie kann das Unternehmen profitabel werden?
Muders: Rocket Internet hält derzeit über einhundert Beteiligungen und bringt jedes Jahr neue Unternehmen in die Märkte. Wenn Sie dann noch die Cash-Position und den Wert der Plattform berücksichtigen, die in Rocket Internet stecken, dann braucht es nur ein oder zwei Unternehmen, die erfolgreich sind, um eine Milliardenbewertung zu erreichen. Natürlich ist das nichts, was über Nacht geschieht. Man muss schon eine gewisse Geduld haben. Es gab auch vor Kurzem zwei Finanzierungsrunden, die dazu geführt haben, dass zwei „Proven Winners“, nämlich Jumia und Lazada, doppelt so hoch bewertet wurden wie noch zum IPO von Rocket Internet. Für mich war die Bewertung beim IPO durchaus plausibel. Andere Investoren sind mittlerweile zur gleichen Einschätzung gekommen, wie man an dem deutlich gestiegenen Aktienkurs sehen kann. Man muss bei diesem Wert natürlich an das Wachstum in den Emerging Markets glauben, also an den Nachholbedarf des Emerging-Markets-Konsumenten, und dass die Online-Penetration fortschreitet.

GoingPublic: Gibt es Unternehmen oder Segmente im Portfolio von Rocket Internet, für die Sie gute Zukunftsaussichten sehen, auch wenn sie noch keine schwarzen Zahlen schreiben?
Muders: Die aus mehreren Unternehmen zusammengesetzte Global Fashion Group, das heißt die Zalando-Klone in Asien, Lateinamerika und der MENA-Region. Dort ist auch das Zalando-Modell in Russland enthalten. Über die Beteiligungen hat man Zugang zu 5,4 Milliarden Konsumenten und in allen Regionen führende Marktstellungen. Der Home- und Innenausstattungsbereich, wie Home24, ist auch vielversprechend. Außerdem: Wenn sich nur ein Unternehmen durchsetzt, dann bewertet die Börse das schnell mal mit einem Milliardenwert.

GoingPublic: Sie haben auch die Samwer-Brüder getroffen. Was für einen Eindruck hatten Sie?
Muders: Ich habe nicht nur Oliver Samwer, sondern auch die Schlüsselpersonen im Management bei Rocket Internet und in den regionalen Hauptbeteiligungsgeschäften in Asien, Afrika und Lateinamerika getroffen. Die Managementqualität spielt eine große Rolle bei der Aktienauswahl, und ich muss sagen, da hat man bei uns einen sehr guten Eindruck hinterlassen.

GoingPublic: Haben die beiden IPOs Leuchtturmfunktion, also wird es wieder vermehrt zu IPOs, vor allem im digitalen Bereich, kommen?
Muders: Vorausgesetzt, die Marktsituation bleibt weiter gut, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass junge Unternehmen aus dem Internet- oder Technologiebereich den Gang an die Börse wagen. Interessant wird auch sein, dass die Unkenrufer es sich dann zweimal überlegen dürften, bevor sie negative Statements abgeben, anstatt sich die Unternehmen doch einmal genauer anzuschauen. Denn man sieht auch bei Rocket Internet, dass es Investoren gibt, die die Geschäftsmodelle relativ hoch bewerten, da auch das Wachstum hier entsprechend hoch ist. Hohe Wachstumsraten sind nicht an jeder Ecke zu finden, das stellt ein gewisses Alleinstellungsmerkmal dar. In der Presse wurden die beiden Unternehmen sehr schlecht besprochen, und ich hatte schon das Gefühl, dass die meisten sich mit den Geschäftsmodellen nicht genug auseinandergesetzt haben. Ich glaube, dass es nach dieser Erfahrung mehr Börsengänge im digitalen Bereich geben wird, was wir auch sehr begrüßen würden.

GoingPublic: Ist ein Börsensegment für Start-ups, wie von der Politik gefordert, notwendig, oder haben wir mit dem Freiverkehr hier eine ausreichende Plattform?
Muders: Ich fände es gut, wenn es erleichterte Voraussetzungen für diese Unternehmen gäbe, die von der Kosten- und Transparenzseite her einen Börsengang weniger schwer machen würden, als das heute der Fall ist. Das Börsensegment, das da gebildet würde, wäre nicht unbedingt für den Privatinvestor geeignet. Vielmehr würde es sich an institutionelle Investoren richten, die die Risiken besser abschätzen können und sich darüber im Klaren sind, in welchem Umfang sie diese Risiken mittragen wollen. Es gibt in Deutschland nicht viele Möglichkeiten, in Internetgeschäftsmodelle zu investieren, und es wäre sicherlich zu begrüßen, wenn es für Investoren mehr Gelegenheiten dazu gäbe. Und je mehr solcher Unternehmen am Markt sind, desto professioneller sollten die institutionellen Investoren werden, weil es eine Lernkurve gibt.

Das Interview führte Konstantin Riffler 

Zur Person

Michael Muders ist seit November 2004 bei Union Investment als Portfoliomanager tätig. Sein Analyseschwerpunkt liegt auf dem Automobilsektor sowie auf dem Research deutscher Mid- & Small-Cap-Werte. Bevor er zur Union Investment kam, war er Mitgründer eines Finanzserviceunternehmens, wo er einen europäischen Publikumsfonds und einen europäischen Hedgefonds managte. Davor – zwischen 1991 und 2000 – arbeitete er als Senior Portfoliomanager bei der DWS Investment in Frankfurt, wo er hauptsächlich für deutsche Aktienfonds zuständig war.

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